Kulturoase: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Koberwitz Schloss.jpg|thumb|370px|Schloss Koberwitz, erbaut 1884, Aufnahme von 1910]] | |||
[[Datei:Koberwitz Schloss.jpg|thumb| | Die Bezeichnung '''Kulturoase''' geht indirekt auf [[Rudolf Steiner]] (1861–1925), den Begründer der Anthroposophie, zurück. Als Antwort auf eine Frage während des sogenannten „[[a:GA 327|Landwirtschaftlichen Kurses]]“, der vom 7. bis 16. Juni 1924 auf [[w:Schloss Koberwitz|Schloss Koberwitz]], das etwa fünfzehn Kilometer südlich von Breslau gelegen ist, stattgefunden hat, entwarf er die Vision zukünftiger kulturstiftender „Oasen auf dem Lande“ mit spiritueller Gemeinschafts­bildung. | ||
Die Bezeichnung '''Kulturoase''' geht indirekt auf [[Rudolf Steiner]] (1861–1925), den Begründer der Anthroposophie, zurück. Als Antwort auf eine Frage während des sogenannten „[[a:GA 327|Landwirtschaftlichen Kurses]]“, der vom 7. bis 16. Juni 1924 auf [[w:Schloss Koberwitz|Schloss Koberwitz]], das etwa fünfzehn Kilometer südlich von Breslau gelegen ist, stattgefunden hat, entwarf er die Vision zukünftiger kulturstiftender „Oasen auf dem Lande“ mit spiritueller | |||
Seit diesem Impuls vor 100 Jahren gab es zahlreiche Personen, die, basierend auf allen oder auch nur auf einigen Kernpunkten der Ausführungen von Rudolf Steiner, Projekte und Initiativen starteten und es gibt sie auch in der Gegenwart. Die verschiedenen Initiativen, ob in der Anthroposophie beheimatet oder von einem anderen Hintergrund kommend, bezeichnen sich oft nicht explizit mit dem Namen „Kulturoase“. | |||
== Entstehung und Inhalt der Vision == | == Entstehung und Inhalt der Vision == | ||
In der gesammelten Ausgabe der Werke von Rudolf Steiner (GA) ist der Begriff Kulturoase nicht aufzufinden. Dies hat den Grund, dass Rudolf Steiner über dieses Thema anlässlich eines Mittagessen gesprochen hat. Da dies außerhalb der offiziellen Vorträge geschah, wurden seine Worte damals nicht mitstenografiert. Es existieren jedoch verschiedene Notizen und Aufzeichnungen von anwesenden Personen, die über den Inhalt der Aussagen von Rudolf Steiner ein einheitliches gesamtes Bild abgeben. | In der gesammelten Ausgabe der Werke von Rudolf Steiner (GA) ist der Begriff Kulturoase nicht aufzufinden. Dies hat den Grund, dass Rudolf Steiner über dieses Thema anlässlich eines Mittagessen gesprochen hat. Da dies außerhalb der offiziellen Vorträge geschah, wurden seine Worte damals nicht mitstenografiert. Es existieren jedoch verschiedene Notizen und Aufzeichnungen von anwesenden Personen, die über den Inhalt der Aussagen von Rudolf Steiner ein einheitliches gesamtes Bild abgeben. | ||
[[Datei:Count-Carl-von-Keyserlingk-1869-1928-hosted-Rudolf-Steiners-Agriculture-Course-at-his.jpg|thumb|267px|Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk]] | [[Datei:Count-Carl-von-Keyserlingk-1869-1928-hosted-Rudolf-Steiners-Agriculture-Course-at-his.jpg|thumb|267px|Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk]] | ||
[[ | [[Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk|Carl Graf von Keyserlingk]], der zusammen mit seiner seiner Frau, [[a:Johanna Gräfin Keyserlingk|Johanna Gräfin von Keyserlingk]], Gastgeber für den Landwirtschaftlichen Kurs war, stellte am Pfingstsonntag 1924 Rudolf Steiner zu Tisch die folgende Frage: „Was können Sie voraussehen über die Zukunft von Deutschland?“ Steiner begann seine visionäre Antwort mit der Feststellung, dass Europa auf einem Vulkan sitzen würde, ohne es zu bemerken und er erwähnte einen aufziehenden schrecklichen Weltkrieg und die Zerstörung der mitteleuropäischen Städte.<ref name=":0">Adalbert von Keyserlingk: ''Koberwitz 1924. Die Geburtsstunde einer neuen Landwirtschaft.'' 1. Edition. BoD – Books on Demand, 2018, ISBN 978-3752862775. S. 69 ff.</ref> Nach den Aufzeichnungen von Johanna Gräfin von Keyserlingk sagte er dann Folgendes:<ref>Johanna Gräfin von Keyserlingk: ''Zwölf Tage um Rudolf Steiner.'' Scheiffele, Stuttgart 1949, S. 70 ff.</ref> | ||
:„Es wird darauf ankommen, Inseln in klösterlicher Abgeschiedenheit auf dem Lande zu schaffen, in denen dann noch kulturelles deutsches Geistesleben gepflegt werden kann. Das Ausland wird dann seine Söhne und Töchter zur Erziehung dorthin schicken.“ | |||
:„Und man wird weit von einer Insel zur anderen fahren müssen.“ | |||
:„Diese Stätten liegen wie Oasen in der Wüste.“ | |||
[[Datei:Wilhelm Rath.jpg|thumb|Wilhelm Rath]] | [[Datei:Wilhelm Rath.jpg|thumb|Wilhelm Rath]] | ||
:: | [[w:Wilhelm Rath (Schriftsteller)|Wilhelm Rath]] (1897–1973), der als Nicht-Landwirt am Kurs in Koberwitz teilnehmen konnte, schrieb den Eindruck nieder, dass die Antwort Rudolf Steiners keine lähmende Wirkung auf die Anwesenden ausgeübt habe, da sich die Worte an den Geistesmut der Menschen gewendet hätten. Weiter notierte er aus der Erinnerung auf: | ||
:„So flößte er zugleich Hoffnung ein, wenn er von der Notwendigkeit sprach, stille Zentren eines neuen Geisteslebens in agrarischer Abgeschiedenheit zu begründen, von denen weithin Wirkungen ausstrahlen könnten, wenn dann die westlichen Nationen ihre Söhne und Töchter hierher senden würden.“<ref name=":0" /> | |||
Karl Lang (1899–1982) erinnerte sich, dass die Oasen auf dem Lande mit einer Landwirtschaft gekoppelt sein sollten.<ref>Karl Lang: ''Lebensbegegnungen.'' Benefeld 1972, S. 79.</ref> | |||
:: | Am Nachmittag desselben Tages begab sich Rudolf Steiner nach Breslau, wo um 17 Uhr eine Begegnung mit Landwirten angesetzt war. Berichte von Teilnehmern dieser Besprechung verdeutlichen die spirituelle, ausstrahlende und kulturstiftende Dimension, die Rudolf Steiner im Zusammenwirken von Menschen sah: | ||
:„Rudolf Steiner sprach von Meditationen, die der Bauer für sich und seine Erde praktizieren soll, von Wesenheiten, die sich in die Menschengemeinschaft eines Hofes heruntersenken und auf die Erde, die Pflanzen und im Umkreis des Hofes wirken – und wie es Menschen dann möglich sein würde, über ihre moralischen Willenskräfte das Wetter zu beeinflussen. […] Und es sei nötig, eine ganz neue Wissenschaft zu begründen, die nicht durch sich selbst, sondern durch esoterische Wahrheiten wirksam wird. […] Er sprach über Engelchöre, die sich über Orten bilden, wo man sich in Gemeinschaft vorbereite auf das Hereinfließen erhabener Geistwesen, die sich helfend den Menschen verbinden wollen.“<ref name=":0" /> | |||
Nach der Pfingsttagung schrieb Rudolf Steiner am 17. Juni 1924 für Carl und Johanna von Keyserlingk folgende Abschiedsworte ins Gästebuch: | |||
<poem style="margin-left:18px"> | |||
„In Liebe zum Hause in Koberwitz | |||
Zu guter Anthroposophen Edelsitz | |||
Kamen wir von Neuem | |||
Suchend die Herzen, die treuen | |||
Zu pflegen den Tatengeist | |||
Der in diesem Hause beste Wege weist. | |||
Die Liebe, die wir fanden, | |||
Wird bilden schönste Banden.<small> | |||
:In allerherzlichstem Dank | |||
:Rudolf Steiner Marie Steiner</small>“<ref>Rudolf Steiner: ''Wahrspruchworte''. GA 40. 8. überarbeitete Auflage. Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach 1998, ISBN 3-7274-0401-9, S. 309. ([https://odysseetheater.org/GA/Buecher/GA_040.pdf#page=309&view=Fit Online])</ref> | |||
</poem> | |||
=== Kernpunkte dieser Oasen nach Rudolf Steiner === | === Kernpunkte dieser Oasen nach Rudolf Steiner === | ||
Es lassen sich aus den überlieferten Erinnerungen folgende fünf Kernmerkmale dieser „Oasen“, die die Zukunft benötigen würde, benennen:<ref>Michael Birnthaler: [https://www.youtube.com/watch?v=vGGtAF4LLiI&list=PLKmuXXPenOdTZE2YDlTDbIVW_tI81Qoci&index=7&t=243 ''Das „Grundmodell“ von Kulturoasen.''] In: ''Rudolf Steiner und die Anthroposophie'' (YouTube-Kanal). Minute 4:03. Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
<div style="margin-left:20px> | |||
{| class="notiz hintergrundfarbe8" | |||
<div style="margin-left: | |||
{| class="notiz" | |||
| | | | ||
1. Pflege eines spirituellen Geisteslebens<br> | 1. Pflege eines spirituellen Geisteslebens<br> | ||
2. Aufgabe für die Kultur<br> | 2. Aufgabe für die Kultur<br> | ||
3. Gemeinschaftliches Leben<br> | 3. Gemeinschaftliches Leben<br> | ||
4. Klosterähnliche Abgeschiedenheit<br> | 4. Klosterähnliche Abgeschiedenheit<br> | ||
5. Auf dem Lande<br> | 5. Auf dem Lande<br> | ||
|} | |} | ||
</div> | </div> | ||
== | == Umsetzung der Idee == | ||
Es gab und gibt bis heute Personen bzw. anthroposophische Projekte, die sich um die Umsetzung seines Anliegens und der am Pfingstsonntag 1924 ausgesprochenen fünf Kernpunkte dieser Oasen der Zukunft bemühten bzw. bemühen. Viele dieser Projekte gebrauchen nicht die äußere Bezeichnung „Kulturoase“, folgen aber im inneren Sinn der Vision von Koberwitz. Für Kulturoasen im ausdrücklichen Sinn setzen sich heute einige Persönlichkeiten ein, z. B. der Anthroposoph [[a:Michael Birnthaler|Michael Birnthaler]]. | |||
In den Grundideen der zahlreich gegründeten „Ökodörfer“ und „Gemeinschaften“ lassen sich einige der von Rudolf Steiner genannten fünf Punkte finden. Die Bezeichnung als „Oase“ oder „Kulturoase“ verwenden sie jedoch nicht. Direkt als Kulturoasen bezeichnen sich in der Gegenwart einige Initiativen, die sich um Kulturentwicklung im alternativen Sinn bemühen und z. B. Konzerte, Diskussionen, Themenabende oder politische Arbeit anbieten. | |||
Die nachfolgenden Auflistungen führen in den Unterkapiteln jeweils nur einige wenige Beispiele an und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. | |||
=== Anthroposophische Bemühungen === | |||
<div style="margin-left:7px"> | |||
<gallery class="centered" widths="230px" heights="200px"> | |||
Kobierzyce-palac.jpg|{{Kapitälchen|[[w:Schloss Koberwitz|Schloss Koberwitz]]}} kann durch den Einsatz von Carl Graf von Keyserlingk als erste Kulturoase bezeichnet werden. Er musste es allerdings 1928 verkaufen, u. a. wegen gescheiterter Versuche, neues Land hinzuzugewinnen.<ref>Michael Birnthaler: [https://www.youtube.com/watch?v=vGGtAF4LLiI&list=PLKmuXXPenOdTZE2YDlTDbIVW_tI81Qoci&index=7 ''Tragödien der ersten Kulturoase.''] In: ''Rudolf Steiner und die Anthroposophie'' (YouTube-Kanal). Minute 3:08. Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
Borchen - 2016-09-25 - Schloss Hamborn (001).jpg|{{Kapitälchen|[[w:Schloss Hamborn|Schloss Hamborn]]}} wurde 1931 von [[a:Siegfried Pickert|Siegfried Pickert]] gekauft. Zusammen mit [[w:Georg Moritz von Sachsen-Altenburg|Georg Moritz von Sachsen-Altenburg]] baute er dort ein heilpädagogisches Internat auf. | |||
Schloss Bingenheim02.jpg|{{Kapitälchen|[[w:Schloss Bingenheim|Schloss Bingenheim]]}}, 1950 von Gotthard Starke erworben und mit einem Schwerpunkt zur Heilpädagogik ausgebaut. Es entstand eine Schul- und Lebensgemeinschaft sowie zahlreiche Werkstätten, eine Gärtnerei und eine kleine Landwirtschaft.<ref>[https://dokumentationen.kulturimpuls.org/biografien/663 ''Gotthard Starke.''] In: '' Stiftung Kulturimpuls.'' Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
Kulturcentrum, Järna, 2019b.jpg|Das {{Kapitälchen|[[w:Järna|Kulturzentrum Järna]]}}, Schweden, wurde 1964 von [[w:Arne Klingborg|Arne Klingborg]], [[w:Jörgen Smit|Jörgen Smit]] und anderen gegründet. Heute arbeiten dort 2.000 Menschen in einer Landwirtschaft, Gärtnerei, Klinik, Rudolf-Steiner-Seminar und einem heilpädagogischen Heim. | |||
Ibrahim Anouleish 20071120 1.jpg|In {{Kapitälchen|[[w:Sekem|Sekem]]}}, 1977 von [[w:Ibrahim Abouleish|Ibrahim Abouleish]] in Ägypten gegründet, sind mittlerweile 70 ha Wüste in eine fruchtbare Oase verwandelt. Die während der Koberwitzer Tagung entwickelte biologisch-dynamische Landwirtschaft ist dem Projekt zugrundegelegt. | |||
Michaelshof Sammatz.jpg|Der {{Kapitälchen|Michaelshof Sammatz}} bei Lüneburg ist 1985 gegründet worden.<ref>[https://www.demeter.de/journal/50/michaelshof ''Wo Vieles möglich ist.''] In: ''demeter.de/journal.'' Abgerufen am 4. November 2024.</ref> Als Lebens- und Arbeitsgemeinschaft integriert er u. a. Wohngruppen für der Seelenpflege bedürftige Kinder und Jugendliche, eine Landwirtschaft oder den Bereich Forschen & Heilen.<ref>Siehe die Website [https://michaelshof-sammatz.de/blog/ ''Michaelshof.''] Abgerufen am 6. November 2024.</ref><br>© Foto: [https://www.30-jahre-gruenes-band.de/2019/11/03/leben-arbeiten-und-genie%C3%9Fen/ ''GrünesBand Deutschland''] | |||
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</div> | |||
==== Initiativen von Persönlichkeiten der Gegenwart ==== | |||
===== Michael Birnthaler ===== | |||
[[Datei:D-BW-KN-Hohenfels - Burgenweg 13 zur Burg Hohenfels.jpg|thumb|330px|Schloss Hohenfels in Baden-Württemberg]] | |||
Ausgehend von den Gedanken Rudolf Steiners möchte Michael Birnthaler sowohl ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Kulturoasen schaffen als auch selbst Kulturoasen gründen. | |||
Er veröffentlichte im Jahr 2024 eine 23-teilige Videoreihe rund um das Thema Kulturoase mit dem Titel „Rudolf Steiner und die Gemeinschaft”.<ref>Michael Birnthaler: [https://www.youtube.com/playlist?list=PLKmuXXPenOdTZE2YDlTDbIVW_tI81Qoci ''Playlist Rudolf Steiner und die Gemeinschaft.''] In: ''Rudolf Steiner und die Anthroposophie'' (YouTube-Kanal). Abgerufen am 5. November 2024.</ref> Der von ihm mitgegründete Verein [[a:EOS Erlebnispädagogik|EOS Erlebnispädagogik e.V.]] erwarb 2019 Schloss Hohenfels. Seitdem sind er und sein Team tätig, das Schloss zu einer Kulturoase im Sinne Steiners aufzubauen.<ref>[https://michael-birnthaler.vision/ ''Über. Vita. 2007–2023.''] In: ''michael-birnthaler.vision.'' Abgerufen am 5. November 2024.</ref> | |||
EOS Erlebnispädagogik besitzt noch 3 weitere größere Anwesen, die ebenfalls im Sinne der folgenden Vision aufgebaut werden: | |||
{{Zitat|[…] Dabei versuchen wir, „Oasen“ auf dem Lande zu begründen, in denen idealistische Gemeinschaften gebildet werden sollen, die ein spirituelles Leben und traditionelle Kulturschöpfungen pflegen wollen.|Michael Birnthaler<ref>[https://michael-birnthaler.vision/kulturoasen ''Kulturoasen. Vision.''] In: ''michael-birnthaler.vision.'' Abgerufen am 5. November 2024.</ref>}} | |||
=== | ===== Uwe Burka ===== | ||
Uwe Burka ist Berater und Ausbilder für ökologische, soziale und humanwirtschaftliche Entwicklungsfragen. Ihm ist es ein Anliegen, dass Inseln der Hoffnung und Oasen der Kultur entstehen: | |||
{{Zitat|Ich kenne und suche Menschen und Projekte in ganz Europa, die sich den Problemen unserer Zeit stellen und in dieser Welt neue Inseln der Hoffnung und Oasen der Kultur schaffen wollen. Wir suchen Menschen mit Realitätssinn, Verantwortungsbewusstsein, Professionalität, Geselligkeit, Beharrlichkeit und einer gewissen Portion Altruismus. Diese können wir ausbilden und mit entstehenden Projekten vernetzen.|Uwe Burka<ref>Uwe Burka: [https://uweburka.eu/ ''Wen suche ich?''] In: ''uweburka.eu.'' Abgerufen am 5. November 2024.</ref>}} | |||
In den Angaben zu seiner Person führt er aus, dass er in den 80er und 90er Jahren zwei Camphill-Dorfgemeinschaften in England und Thüringen mitgegründet und mit aufgebaut habe.<ref>[https://uweburka.eu/uber-uwe-und-seine-kollegen/ ''Über Uwe und seine Kollegen.''] In: ''uweburka.eu.'' Abgerufen am 5. November 2024.</ref> Ein Recherche nach bestehenden und funktionierenden Kulturoasen, die von ihm seit 2000 gegründet oder aufgebaut worden sind, brachte kein Ergebnis. | |||
===== Rainer Kroll ===== | |||
Rainer Kroll ist Geschäftsführender Gesellschafter der ''wohnprojekt+ beratung und entwicklung GmbH'' und Mitbegründer der Initiative ''Europäische Kulturoasen''. Mit seiner Frau wohnt er im gemeinschaftlichen Mehrgenerationen-Wohnprojekt „Am Albgrün“ in Karlsruhe.<ref>[https://zukunftsquartier-speyer.de/unser-projekt/unterstuetzung-und-beratung ''Rainer Kroll. Dipl.-Ing. Architektur, Karlsruhe.''] In: ''Zukunftsquartier bunt•Sp•echt.'' Abgerufen am 8. November 2024.</ref> Rainer Kroll setzt sich für Kulturoasen als Initiativen für ganzheitliche Zukunftsorte ein, die in dialogischer Projektentwicklung und assoziativer Stadtentwicklung entwickelt werden.<ref>[https://www.wohnprojekte-portal.de/beraterinnen/detail/wohnprojekt-beratung-und-entwicklung-gmbh-rainer-kroll/ ''Rainer Kroll.''] In: ''wohnprojekte-portal.de.'' Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
: | |||
{{Zitat|Für mich sind Kulturoasen Zukunftsorte für ein menschenwürdiges Zusammenleben auf dieser Erde. Und deswegen müssen sie vor allem heilsam sein für die Menschen und die Natur, unsere Lebensgrundlage.|Rainer Kroll<ref>[https://www.youtube.com/watch?v=XZb0qpLzJb4&t=46s ''Was sind Kulturoasen?''] In: ''Youtube'' ab Minute 0:46. Abgerufen am 5. November 2024.</ref>}} | |||
===== Heinz Grill ===== | |||
[[Datei:Sonnenoase, Grundstück und Feld.jpg|thumb|330px|Seminarhaus ''Casa Barbara'' der Sonnenoase im italienischen Trentino mit biologisch-dynamisch angebautem Feld]] | |||
Angeregt durch ein Gespräch mit Michael Birnthaler über die Gedanken von Rudolf Steiner von 1924 entwickelte [[a:Heinz Grill|Heinz Grill]] den Begriff weiter und benannte seine seit Jahrzehnten aufgebaute spirituelle Arbeit, die sich seit Ende 2019 durch den Kauf eines großen Grundstücks auf einer Bergwaldlichtung in einer räumlichen Erweiterung befand, als „Sonnenoase“.<ref name=":1">[https://heinz-grill.de/gemeinschaft-sonne-meditation/ ''Die Sonnenoase. Woher entspringt der Begriff?''] In: ''Beiträge zu einem Neuen Yogawillen.'' Artikel vom 3. Juni 2021, abgerufen am 6. November 2024.</ref> | |||
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Da Heinz Grill der Überzeugung ist, dass jede Kultur nicht sofort mit äußeren Aktionen beginne, sondern im Stillen der menschlichen Seelen gedeihe, nimmt er die Spiritualität sehr exakt. In jedem einzelnen Menschen soll eine innere Standposition in die Entwicklung kommen, die eine Synthese von geistigen Gedanken und Person real ausdrückt. | |||
{{Zitat|Das Kernanliegen in einer Sonnenoase und eines jeden einzelnen, der darin mitwirkt, muss durch eine ausreichend fundierte und gültige Spiritualität, die nicht der Willkür und nicht den subjektiven Eigenemotionen entspricht, gegründet sein und sie muss im Mittelpunkt eine Disziplin zur Meditation freisetzen.|Heinz Grill<ref name=":1" />}} | |||
Die Sonnenoase bietet Schulungsmöglichkeiten über die angegliederte „Freie Hochschule für Spiritualität“ an. Praktikas sind fachspezifisch in der Forschungsküche für Ernährung sowie beispielsweise in den Bereichen Architektur, Innenraumgestaltung, Gesundheitsbildung, Yogapraxis und Ausbildung zum Yogalehrer oder Klettern möglich.<ref>[https://yoga-und-synthese.de/umsetzung-in-einzelne-taetigkeitsbereiche/ ''Umsetzung in einzelne Tätigkeitsbereiche.''] In: ''Freie Hochschule für Spiritualität in Lundo.'' Abgerufen am 6. November 2024.</ref> | |||
== | === Ökodörfer und Gemeinschaften === | ||
Unter der Bezeichnung „Ökodorf“ oder „Gemeinschaft“ wurden sehr viele Initiativen gegründet. Diese bezeichnen sich nicht als Kulturoasen, greifen aber Elemente der Idee von Rudolf Steiner auf und wollen eine idealere, bessere Welt sowie ein menschengerechteres Miteinander fördern und umsetzen. Für gemeinschaftsbildende Maßnahmen wird meist nicht von Rudolf Steiners Ideen ausgegangen, wie er sie in seinen Vorträgen zur Gemeinschaftsbildung geäußert hat, veröffentlicht in der GA 257 unter dem Titel ''[[a:GA 257|Anthroposophische Gemeinschaftsbildung.]]''<ref>siehe Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Gemeinschaftsbildung.'' GA 257. 4. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989, ISBN 3-7274-2570-9. ([https://odysseetheater.org/GA/Buecher/GA_257.pdf#view=Fit Online])</ref> Zur Gemeinschaftsbildung wird häufig der sogenannte „[[w:M._Scott_Peck#Werk_Gemeinschaftsbildung|WIR-Prozess]]“ angewendet, eine Methode, die von [[w:Scott Peck|Scott Peck]] entwickelt wurde.<ref>[https://web.archive.org/web/20131114013717/http://www.schloss-tempelhof.de/wp-content/uploads/2013/05/WIR-Prozess_Zukunftswerkstatt_Tempelhof.pdf ''Gemeinschaftsbildung und WIR-Prozess am Tempelhof.''] In: ''schloss-tempelhof.de.'' Archivlink abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
Beispiele: | |||
[[Datei:Tempelhof (Kreßberg).jpg|thumb|Tempelhof (Kreßberg)]] | |||
* {{Kapitälchen|[[w:Schloss Tempelhof|Schloss Tempelhof]], Kreßberg (Bayern)}}<br> | |||
:Schloss Tempelhof ist eine seit 2010 bestehende basis­demokratische Gemeinschaft und Ökosiedlung in Kreßberg. | |||
* {{Kapitälchen|[[w:Sieben Linden|Sieben Linden]], Beetzendorf (Sachsen-Anhalt)}}<br> | |||
:Sieben Linden bezeichnet sich als Ökodorf und versteht sich als Modell- und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise, in der Arbeit und Freizeit, Ökonomie und Ökologie, Individuum und Gemeinschaft, weltoffene und dörfliche Kultur in kleinen Lebenskreisen zu einem Gleichgewicht finden. | |||
* {{Kapitälchen|[[w:Tamera|Tamera]], Portugal}}<br> | |||
: Tamera wurde 1995 gegründet und ist eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft im Odemira, Alentejo, Portugal. Das Projekt versteht sich als „Friedensforschungszentrum“ und „Heilungsbiotop“. | |||
=== Kulturoasen im Sinne alternativer Kulturprojekte === | |||
Einige Initiativen der Gegenwart wählten den Namen „Kulturoase“ und bieten z. B. Konzerte, Diskussionen, Themenabende, politische Arbeit, Filmvorführungen, Infoläden, Jugendtreffpunkte mit Café oder Umsonstläden zur solidarischen Weitergabe von Kleidung an. | |||
Beispiele: | |||
[[Datei:Schkeuditz-art Kapella.jpg|mini|''art-Kapella'' auf dem Alten Friedhof Schkeuditz]] | |||
* {{Kapitälchen|[[w:Art Kapella Schkeuditz|art Kapella Schkeuditz]]}}<br> | |||
:Das soziokulturelle Zentrum besteht seit 1995. Insbesondere die Begegnung zwischen Künstlern der bildenden Kunst und von Musikliebhabern finden hier ein Podium. | |||
* {{Kapitälchen|Kulturoase im Skulpturengarten, Nürnberg}}<br> | |||
:Angeboten werden u. a Konzerte, Diskussionen, Local Live Acts oder Themenabende.<ref>[https://www.kulturoase-nuernberg.de/ ''Kulturoasis e.V.''] Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
* {{Kapitälchen|Verein Kulturoase e. V., Frankfurt}}<br> | |||
:Diese Kulturoase wurde im Jahr 2016 gegründet und setzt sich für ein friedliches und freies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein. Es soll zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe von Migranten am gesellschaftlichen Leben beizutragen.<ref>[https://kultur-oase.org/uber-uns/ ''Kulturoase Frankfurt – Über uns.''] Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
* {{Kapitälchen|Perma-Kulturoase Sonneberg, Unterrohr (Österreich)}}<br> | |||
:Die Perma-Kulturoase bietet Selbstversorgung, Workshops, Alternative Energielösungen, permakulturelle Lebensraumgestaltung, Feiern und Mitmach-Tage an.<ref>[https://www.kulturoase-sonneberg.de/Start/ ''Perma-Kulturoase Sonneberg.''] Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
== Literatur == | |||
* Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Gemeinschaftsbildung.'' GA 257. 4. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989, ISBN 3-7274-2570-9. | |||
* Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft.'' GA 327. 8. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1999, ISBN 3-7274-3270-5. | |||
* Adalbert von Keyserlingk: ''Koberwitz 1924. Die Geburtsstunde einer neuen Landwirtschaft.'' 1. Edition. BoD – Books on Demand, 2018, ISBN 978-3752862775. | |||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
[https://www.anthroposophie.ch/de/landwirtschaft-ernaehrung/themen/artikel/entwicklungsgeschichte/wege-zum-landwirtschaftlichen-kurs.html Wege zum Landwirtschaftlichen Kurs.] In: ''anthroposophie.ch'' | * [[Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk]] | ||
== Weblinks == | |||
* [https://www.anthroposophie.ch/de/landwirtschaft-ernaehrung/themen/artikel/entwicklungsgeschichte/wege-zum-landwirtschaftlichen-kurs.html ''Wege zum Landwirtschaftlichen Kurs.''] In: ''anthroposophie.ch.'' | |||
* [https://www.youtube.com/playlist?list=PLKmuXXPenOdTZE2YDlTDbIVW_tI81Qoci ''Rudolf Steiner und die Gemeinschaft.''] In: ''Rudolf Steiner und die Anthroposophie'' (Playlist auf YouTube). Ausführliche Darstellung der Entstehung, der Hintergründe, des Verlaufs und der Nachwirkungen des Landwirtschaftlichen Kurses. | |||
* John Paull: [https://orgprints.org/id/eprint/38176/1/Paull2020.Koberwitzers.IJEPM.pdf ''The Koberwitzers: Those Who Attended Rudolf Steiner’s Agriculture Course at Koberwitz in 1924, World’s Foundational Organic Agriculture Course.''] In: ''AIS American Institut of Science.'' Veröffentlicht am 9. Juni 2020, abgerufen am 8. November 2024 (PDF englisch). | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
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[[Kategorie:Entwicklung]] | |||
[[Kategorie:Kulturoase]] |
Aktuelle Version vom 9. November 2024, 23:23 Uhr
Die Bezeichnung Kulturoase geht indirekt auf Rudolf Steiner (1861–1925), den Begründer der Anthroposophie, zurück. Als Antwort auf eine Frage während des sogenannten „Landwirtschaftlichen Kurses“, der vom 7. bis 16. Juni 1924 auf Schloss Koberwitz, das etwa fünfzehn Kilometer südlich von Breslau gelegen ist, stattgefunden hat, entwarf er die Vision zukünftiger kulturstiftender „Oasen auf dem Lande“ mit spiritueller Gemeinschaftsbildung.
Seit diesem Impuls vor 100 Jahren gab es zahlreiche Personen, die, basierend auf allen oder auch nur auf einigen Kernpunkten der Ausführungen von Rudolf Steiner, Projekte und Initiativen starteten und es gibt sie auch in der Gegenwart. Die verschiedenen Initiativen, ob in der Anthroposophie beheimatet oder von einem anderen Hintergrund kommend, bezeichnen sich oft nicht explizit mit dem Namen „Kulturoase“.
Entstehung und Inhalt der Vision
In der gesammelten Ausgabe der Werke von Rudolf Steiner (GA) ist der Begriff Kulturoase nicht aufzufinden. Dies hat den Grund, dass Rudolf Steiner über dieses Thema anlässlich eines Mittagessen gesprochen hat. Da dies außerhalb der offiziellen Vorträge geschah, wurden seine Worte damals nicht mitstenografiert. Es existieren jedoch verschiedene Notizen und Aufzeichnungen von anwesenden Personen, die über den Inhalt der Aussagen von Rudolf Steiner ein einheitliches gesamtes Bild abgeben.
Carl Graf von Keyserlingk, der zusammen mit seiner seiner Frau, Johanna Gräfin von Keyserlingk, Gastgeber für den Landwirtschaftlichen Kurs war, stellte am Pfingstsonntag 1924 Rudolf Steiner zu Tisch die folgende Frage: „Was können Sie voraussehen über die Zukunft von Deutschland?“ Steiner begann seine visionäre Antwort mit der Feststellung, dass Europa auf einem Vulkan sitzen würde, ohne es zu bemerken und er erwähnte einen aufziehenden schrecklichen Weltkrieg und die Zerstörung der mitteleuropäischen Städte.[1] Nach den Aufzeichnungen von Johanna Gräfin von Keyserlingk sagte er dann Folgendes:[2]
- „Es wird darauf ankommen, Inseln in klösterlicher Abgeschiedenheit auf dem Lande zu schaffen, in denen dann noch kulturelles deutsches Geistesleben gepflegt werden kann. Das Ausland wird dann seine Söhne und Töchter zur Erziehung dorthin schicken.“
- „Und man wird weit von einer Insel zur anderen fahren müssen.“
- „Diese Stätten liegen wie Oasen in der Wüste.“
Wilhelm Rath (1897–1973), der als Nicht-Landwirt am Kurs in Koberwitz teilnehmen konnte, schrieb den Eindruck nieder, dass die Antwort Rudolf Steiners keine lähmende Wirkung auf die Anwesenden ausgeübt habe, da sich die Worte an den Geistesmut der Menschen gewendet hätten. Weiter notierte er aus der Erinnerung auf:
- „So flößte er zugleich Hoffnung ein, wenn er von der Notwendigkeit sprach, stille Zentren eines neuen Geisteslebens in agrarischer Abgeschiedenheit zu begründen, von denen weithin Wirkungen ausstrahlen könnten, wenn dann die westlichen Nationen ihre Söhne und Töchter hierher senden würden.“[1]
Karl Lang (1899–1982) erinnerte sich, dass die Oasen auf dem Lande mit einer Landwirtschaft gekoppelt sein sollten.[3]
Am Nachmittag desselben Tages begab sich Rudolf Steiner nach Breslau, wo um 17 Uhr eine Begegnung mit Landwirten angesetzt war. Berichte von Teilnehmern dieser Besprechung verdeutlichen die spirituelle, ausstrahlende und kulturstiftende Dimension, die Rudolf Steiner im Zusammenwirken von Menschen sah:
- „Rudolf Steiner sprach von Meditationen, die der Bauer für sich und seine Erde praktizieren soll, von Wesenheiten, die sich in die Menschengemeinschaft eines Hofes heruntersenken und auf die Erde, die Pflanzen und im Umkreis des Hofes wirken – und wie es Menschen dann möglich sein würde, über ihre moralischen Willenskräfte das Wetter zu beeinflussen. […] Und es sei nötig, eine ganz neue Wissenschaft zu begründen, die nicht durch sich selbst, sondern durch esoterische Wahrheiten wirksam wird. […] Er sprach über Engelchöre, die sich über Orten bilden, wo man sich in Gemeinschaft vorbereite auf das Hereinfließen erhabener Geistwesen, die sich helfend den Menschen verbinden wollen.“[1]
Nach der Pfingsttagung schrieb Rudolf Steiner am 17. Juni 1924 für Carl und Johanna von Keyserlingk folgende Abschiedsworte ins Gästebuch:
„In Liebe zum Hause in Koberwitz
Zu guter Anthroposophen Edelsitz
Kamen wir von Neuem
Suchend die Herzen, die treuen
Zu pflegen den Tatengeist
Der in diesem Hause beste Wege weist.
Die Liebe, die wir fanden,
Wird bilden schönste Banden.
In allerherzlichstem Dank
Rudolf Steiner Marie Steiner“[4]
Kernpunkte dieser Oasen nach Rudolf Steiner
Es lassen sich aus den überlieferten Erinnerungen folgende fünf Kernmerkmale dieser „Oasen“, die die Zukunft benötigen würde, benennen:[5]
1. Pflege eines spirituellen Geisteslebens |
Umsetzung der Idee
Es gab und gibt bis heute Personen bzw. anthroposophische Projekte, die sich um die Umsetzung seines Anliegens und der am Pfingstsonntag 1924 ausgesprochenen fünf Kernpunkte dieser Oasen der Zukunft bemühten bzw. bemühen. Viele dieser Projekte gebrauchen nicht die äußere Bezeichnung „Kulturoase“, folgen aber im inneren Sinn der Vision von Koberwitz. Für Kulturoasen im ausdrücklichen Sinn setzen sich heute einige Persönlichkeiten ein, z. B. der Anthroposoph Michael Birnthaler.
In den Grundideen der zahlreich gegründeten „Ökodörfer“ und „Gemeinschaften“ lassen sich einige der von Rudolf Steiner genannten fünf Punkte finden. Die Bezeichnung als „Oase“ oder „Kulturoase“ verwenden sie jedoch nicht. Direkt als Kulturoasen bezeichnen sich in der Gegenwart einige Initiativen, die sich um Kulturentwicklung im alternativen Sinn bemühen und z. B. Konzerte, Diskussionen, Themenabende oder politische Arbeit anbieten.
Die nachfolgenden Auflistungen führen in den Unterkapiteln jeweils nur einige wenige Beispiele an und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Anthroposophische Bemühungen
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Schloss Koberwitz kann durch den Einsatz von Carl Graf von Keyserlingk als erste Kulturoase bezeichnet werden. Er musste es allerdings 1928 verkaufen, u. a. wegen gescheiterter Versuche, neues Land hinzuzugewinnen.[6]
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Schloss Hamborn wurde 1931 von Siegfried Pickert gekauft. Zusammen mit Georg Moritz von Sachsen-Altenburg baute er dort ein heilpädagogisches Internat auf.
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Schloss Bingenheim, 1950 von Gotthard Starke erworben und mit einem Schwerpunkt zur Heilpädagogik ausgebaut. Es entstand eine Schul- und Lebensgemeinschaft sowie zahlreiche Werkstätten, eine Gärtnerei und eine kleine Landwirtschaft.[7]
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Das Kulturzentrum Järna, Schweden, wurde 1964 von Arne Klingborg, Jörgen Smit und anderen gegründet. Heute arbeiten dort 2.000 Menschen in einer Landwirtschaft, Gärtnerei, Klinik, Rudolf-Steiner-Seminar und einem heilpädagogischen Heim.
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In Sekem, 1977 von Ibrahim Abouleish in Ägypten gegründet, sind mittlerweile 70 ha Wüste in eine fruchtbare Oase verwandelt. Die während der Koberwitzer Tagung entwickelte biologisch-dynamische Landwirtschaft ist dem Projekt zugrundegelegt.
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Der Michaelshof Sammatz bei Lüneburg ist 1985 gegründet worden.[8] Als Lebens- und Arbeitsgemeinschaft integriert er u. a. Wohngruppen für der Seelenpflege bedürftige Kinder und Jugendliche, eine Landwirtschaft oder den Bereich Forschen & Heilen.[9]
© Foto: GrünesBand Deutschland
Initiativen von Persönlichkeiten der Gegenwart
Michael Birnthaler
Ausgehend von den Gedanken Rudolf Steiners möchte Michael Birnthaler sowohl ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Kulturoasen schaffen als auch selbst Kulturoasen gründen.
Er veröffentlichte im Jahr 2024 eine 23-teilige Videoreihe rund um das Thema Kulturoase mit dem Titel „Rudolf Steiner und die Gemeinschaft”.[10] Der von ihm mitgegründete Verein EOS Erlebnispädagogik e.V. erwarb 2019 Schloss Hohenfels. Seitdem sind er und sein Team tätig, das Schloss zu einer Kulturoase im Sinne Steiners aufzubauen.[11]
EOS Erlebnispädagogik besitzt noch 3 weitere größere Anwesen, die ebenfalls im Sinne der folgenden Vision aufgebaut werden:
„[…] Dabei versuchen wir, „Oasen“ auf dem Lande zu begründen, in denen idealistische Gemeinschaften gebildet werden sollen, die ein spirituelles Leben und traditionelle Kulturschöpfungen pflegen wollen.“
Uwe Burka
Uwe Burka ist Berater und Ausbilder für ökologische, soziale und humanwirtschaftliche Entwicklungsfragen. Ihm ist es ein Anliegen, dass Inseln der Hoffnung und Oasen der Kultur entstehen:
„Ich kenne und suche Menschen und Projekte in ganz Europa, die sich den Problemen unserer Zeit stellen und in dieser Welt neue Inseln der Hoffnung und Oasen der Kultur schaffen wollen. Wir suchen Menschen mit Realitätssinn, Verantwortungsbewusstsein, Professionalität, Geselligkeit, Beharrlichkeit und einer gewissen Portion Altruismus. Diese können wir ausbilden und mit entstehenden Projekten vernetzen.“
In den Angaben zu seiner Person führt er aus, dass er in den 80er und 90er Jahren zwei Camphill-Dorfgemeinschaften in England und Thüringen mitgegründet und mit aufgebaut habe.[14] Ein Recherche nach bestehenden und funktionierenden Kulturoasen, die von ihm seit 2000 gegründet oder aufgebaut worden sind, brachte kein Ergebnis.
Rainer Kroll
Rainer Kroll ist Geschäftsführender Gesellschafter der wohnprojekt+ beratung und entwicklung GmbH und Mitbegründer der Initiative Europäische Kulturoasen. Mit seiner Frau wohnt er im gemeinschaftlichen Mehrgenerationen-Wohnprojekt „Am Albgrün“ in Karlsruhe.[15] Rainer Kroll setzt sich für Kulturoasen als Initiativen für ganzheitliche Zukunftsorte ein, die in dialogischer Projektentwicklung und assoziativer Stadtentwicklung entwickelt werden.[16]
„Für mich sind Kulturoasen Zukunftsorte für ein menschenwürdiges Zusammenleben auf dieser Erde. Und deswegen müssen sie vor allem heilsam sein für die Menschen und die Natur, unsere Lebensgrundlage.“
Heinz Grill
Angeregt durch ein Gespräch mit Michael Birnthaler über die Gedanken von Rudolf Steiner von 1924 entwickelte Heinz Grill den Begriff weiter und benannte seine seit Jahrzehnten aufgebaute spirituelle Arbeit, die sich seit Ende 2019 durch den Kauf eines großen Grundstücks auf einer Bergwaldlichtung in einer räumlichen Erweiterung befand, als „Sonnenoase“.[18]
Da Heinz Grill der Überzeugung ist, dass jede Kultur nicht sofort mit äußeren Aktionen beginne, sondern im Stillen der menschlichen Seelen gedeihe, nimmt er die Spiritualität sehr exakt. In jedem einzelnen Menschen soll eine innere Standposition in die Entwicklung kommen, die eine Synthese von geistigen Gedanken und Person real ausdrückt.
„Das Kernanliegen in einer Sonnenoase und eines jeden einzelnen, der darin mitwirkt, muss durch eine ausreichend fundierte und gültige Spiritualität, die nicht der Willkür und nicht den subjektiven Eigenemotionen entspricht, gegründet sein und sie muss im Mittelpunkt eine Disziplin zur Meditation freisetzen.“
Die Sonnenoase bietet Schulungsmöglichkeiten über die angegliederte „Freie Hochschule für Spiritualität“ an. Praktikas sind fachspezifisch in der Forschungsküche für Ernährung sowie beispielsweise in den Bereichen Architektur, Innenraumgestaltung, Gesundheitsbildung, Yogapraxis und Ausbildung zum Yogalehrer oder Klettern möglich.[19]
Ökodörfer und Gemeinschaften
Unter der Bezeichnung „Ökodorf“ oder „Gemeinschaft“ wurden sehr viele Initiativen gegründet. Diese bezeichnen sich nicht als Kulturoasen, greifen aber Elemente der Idee von Rudolf Steiner auf und wollen eine idealere, bessere Welt sowie ein menschengerechteres Miteinander fördern und umsetzen. Für gemeinschaftsbildende Maßnahmen wird meist nicht von Rudolf Steiners Ideen ausgegangen, wie er sie in seinen Vorträgen zur Gemeinschaftsbildung geäußert hat, veröffentlicht in der GA 257 unter dem Titel Anthroposophische Gemeinschaftsbildung.[20] Zur Gemeinschaftsbildung wird häufig der sogenannte „WIR-Prozess“ angewendet, eine Methode, die von Scott Peck entwickelt wurde.[21]
Beispiele:
- Schloss Tempelhof, Kreßberg (Bayern)
- Schloss Tempelhof ist eine seit 2010 bestehende basisdemokratische Gemeinschaft und Ökosiedlung in Kreßberg.
- Sieben Linden, Beetzendorf (Sachsen-Anhalt)
- Sieben Linden bezeichnet sich als Ökodorf und versteht sich als Modell- und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise, in der Arbeit und Freizeit, Ökonomie und Ökologie, Individuum und Gemeinschaft, weltoffene und dörfliche Kultur in kleinen Lebenskreisen zu einem Gleichgewicht finden.
- Tamera, Portugal
- Tamera wurde 1995 gegründet und ist eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft im Odemira, Alentejo, Portugal. Das Projekt versteht sich als „Friedensforschungszentrum“ und „Heilungsbiotop“.
Kulturoasen im Sinne alternativer Kulturprojekte
Einige Initiativen der Gegenwart wählten den Namen „Kulturoase“ und bieten z. B. Konzerte, Diskussionen, Themenabende, politische Arbeit, Filmvorführungen, Infoläden, Jugendtreffpunkte mit Café oder Umsonstläden zur solidarischen Weitergabe von Kleidung an.
Beispiele:
- Das soziokulturelle Zentrum besteht seit 1995. Insbesondere die Begegnung zwischen Künstlern der bildenden Kunst und von Musikliebhabern finden hier ein Podium.
- Kulturoase im Skulpturengarten, Nürnberg
- Angeboten werden u. a Konzerte, Diskussionen, Local Live Acts oder Themenabende.[22]
- Verein Kulturoase e. V., Frankfurt
- Diese Kulturoase wurde im Jahr 2016 gegründet und setzt sich für ein friedliches und freies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein. Es soll zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe von Migranten am gesellschaftlichen Leben beizutragen.[23]
- Perma-Kulturoase Sonneberg, Unterrohr (Österreich)
- Die Perma-Kulturoase bietet Selbstversorgung, Workshops, Alternative Energielösungen, permakulturelle Lebensraumgestaltung, Feiern und Mitmach-Tage an.[24]
Literatur
- Rudolf Steiner: Anthroposophische Gemeinschaftsbildung. GA 257. 4. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989, ISBN 3-7274-2570-9.
- Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. GA 327. 8. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1999, ISBN 3-7274-3270-5.
- Adalbert von Keyserlingk: Koberwitz 1924. Die Geburtsstunde einer neuen Landwirtschaft. 1. Edition. BoD – Books on Demand, 2018, ISBN 978-3752862775.
Siehe auch
Weblinks
- Wege zum Landwirtschaftlichen Kurs. In: anthroposophie.ch.
- Rudolf Steiner und die Gemeinschaft. In: Rudolf Steiner und die Anthroposophie (Playlist auf YouTube). Ausführliche Darstellung der Entstehung, der Hintergründe, des Verlaufs und der Nachwirkungen des Landwirtschaftlichen Kurses.
- John Paull: The Koberwitzers: Those Who Attended Rudolf Steiner’s Agriculture Course at Koberwitz in 1924, World’s Foundational Organic Agriculture Course. In: AIS American Institut of Science. Veröffentlicht am 9. Juni 2020, abgerufen am 8. November 2024 (PDF englisch).
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Adalbert von Keyserlingk: Koberwitz 1924. Die Geburtsstunde einer neuen Landwirtschaft. 1. Edition. BoD – Books on Demand, 2018, ISBN 978-3752862775. S. 69 ff.
- ↑ Johanna Gräfin von Keyserlingk: Zwölf Tage um Rudolf Steiner. Scheiffele, Stuttgart 1949, S. 70 ff.
- ↑ Karl Lang: Lebensbegegnungen. Benefeld 1972, S. 79.
- ↑ Rudolf Steiner: Wahrspruchworte. GA 40. 8. überarbeitete Auflage. Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach 1998, ISBN 3-7274-0401-9, S. 309. (Online)
- ↑ Michael Birnthaler: Das „Grundmodell“ von Kulturoasen. In: Rudolf Steiner und die Anthroposophie (YouTube-Kanal). Minute 4:03. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Michael Birnthaler: Tragödien der ersten Kulturoase. In: Rudolf Steiner und die Anthroposophie (YouTube-Kanal). Minute 3:08. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Gotthard Starke. In: Stiftung Kulturimpuls. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Wo Vieles möglich ist. In: demeter.de/journal. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Siehe die Website Michaelshof. Abgerufen am 6. November 2024.
- ↑ Michael Birnthaler: Playlist Rudolf Steiner und die Gemeinschaft. In: Rudolf Steiner und die Anthroposophie (YouTube-Kanal). Abgerufen am 5. November 2024.
- ↑ Über. Vita. 2007–2023. In: michael-birnthaler.vision. Abgerufen am 5. November 2024.
- ↑ Kulturoasen. Vision. In: michael-birnthaler.vision. Abgerufen am 5. November 2024.
- ↑ Uwe Burka: Wen suche ich? In: uweburka.eu. Abgerufen am 5. November 2024.
- ↑ Über Uwe und seine Kollegen. In: uweburka.eu. Abgerufen am 5. November 2024.
- ↑ Rainer Kroll. Dipl.-Ing. Architektur, Karlsruhe. In: Zukunftsquartier bunt•Sp•echt. Abgerufen am 8. November 2024.
- ↑ Rainer Kroll. In: wohnprojekte-portal.de. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Was sind Kulturoasen? In: Youtube ab Minute 0:46. Abgerufen am 5. November 2024.
- ↑ 18,0 18,1 Die Sonnenoase. Woher entspringt der Begriff? In: Beiträge zu einem Neuen Yogawillen. Artikel vom 3. Juni 2021, abgerufen am 6. November 2024.
- ↑ Umsetzung in einzelne Tätigkeitsbereiche. In: Freie Hochschule für Spiritualität in Lundo. Abgerufen am 6. November 2024.
- ↑ siehe Rudolf Steiner: Anthroposophische Gemeinschaftsbildung. GA 257. 4. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989, ISBN 3-7274-2570-9. (Online)
- ↑ Gemeinschaftsbildung und WIR-Prozess am Tempelhof. In: schloss-tempelhof.de. Archivlink abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Kulturoasis e.V. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Kulturoase Frankfurt – Über uns. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Perma-Kulturoase Sonneberg. Abgerufen am 4. November 2024.
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