Osiris: Unterschied zwischen den Versionen

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<small>Dieser Artikel basiert teilweise auf dem Artikel [https://anthrowiki.at/Osiris Osiris] aus AnthroWiki sowie [https://de.wikipedia.org/wiki/Osiris Osiris] aus Wikipedia und steht unter der Lizenz [https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0).] Es ist jeweils eine Liste der Autoren in [https://anthrowiki.at/index.php?title=Osiris&action=history AnthroWiki] und [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Osiris&action=history Wikipedia] einsehbar.</small>
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== Leserbeiträge ==
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Version vom 22. September 2024, 07:06 Uhr

Osiris in Hieroglyphen
Ausgeschrieben
Q1
D4

Wsjr
Usir
Mit Determinativ
Q1
D4
A40

Wsjr
Usir
Osiris mit Krummstab und Flagellum
Osiris Statue im Ägyptischen Museum (Kairo)

Osiris (von altgriechisch Ὄσιρις, übersetzt: „Sitz des Auges”, nach anderen ägyptischen Lesearten auch Asar, Azar) ist der ägyptische Gott des Jenseits, der Wiedergeburt und der Toten, aber auch der Gott der Vegetation, der schwellenden Nilflut und der Fruchtbarkeit. Sein Hauptkultort war Abydos, wo alljährlich in jedem vierten Monat ihm geweihte Mysterienspiele ausgeführt wurden. Zusammen mit Isis und Horus bildet er die Trias von Abydos. Der Osirismythos gilt als einer der wichtigsten Mythen der ägyptischen Religion. Als vierter König der ersten Götterdynastie fungierte er auch als Bestandteil der Götterneunheit von Heliopolis. In den Pyramidentexten galt Osiris als „Gott des Nordens“.[1] Als irdischer Repräsentant des Sonnengottes Re regierte Osiris gemeinsam mit seiner Gattin Isis als weiser Herrscher über das ägyptische Land, ehe er von seinem Bruder Seth ermordet wurde und zum jenseitigen Totenrichter aufstieg.

Mit Beginn der 4. Dynastie taucht in den Opferformeln der Privatgräber ein namenloser Gott auf; am Ende der 4. Dynastie dann erstmals namentlich als Osiris. Die früheste ikonografische Darstellung der Gottheit Osiris ist auf einem Block des Pyramidenbezirks des Djedkare belegt, dem vorletzten Herrscher der 5. Dynastie. Unter Unas, dem Nachfolger und letzten König der 5. Dynastie, folgt die erstmalige schriftliche Erwähnung in den Pyramidentexten. Zunächst nahm Osiris im Königskult eine untergeordnete Rolle ein, da Osiris zwar als „Gott der Verstorbenen“ galt, aber nicht als „Gott des Königs“. Der König sah sich mythologisch auf gleicher Ebene und bezeichnete sich daher als „sein Bruder, der mit den Kräften des Osiris ausgestattet ist“. Osiris herrschte in diesem Stadium als „Gott über die menschlichen Verstorbenen“, während sich der König nach seinem Tod als „Gott über die ruhenden Götter im Jenseits“ verstand. Insofern repräsentierte Osiris den „Totengott des Volkes“ und der König den „Totengott der Götter“. Erst mit dem Zusammenbruch des Alten Reiches änderte sich die königliche Distanz zu Osiris.

Mit Beginn des Mittleren Reiches erhielt Osiris in der ägyptischen Mythologie die gesamte Macht über das Totenreich und stand seither in der Rangordnung über dem König. Seine Bedeutung als einer der wichtigsten Götter des Alten Ägyptens nahm im weiteren Verlauf der altägyptischen Geschichte stetig zu, weshalb sich sein Kult auch über die hellenistische Welt verbreiten konnte. Mit ihm verknüpft wird das Sternbild des Orion.

Darstellung

Statue von Osiris (ägyptisches Museum, Kairo)

Osiris wird in menschlicher (anthropomorpher) Gestalt dargestellt, als menschliche Mumie, immer in stehender oder aufrecht sitzender Haltung mit geschlossenen Beinen. In vielen Fällen sieht man ihn mit grüner oder schwarzer Hautfarbe dargestellt, was in der Forschung häufig als Symbol für Fruchtbarkeit gedeutet wurde: Grün beziehe sich auf die Farbe vieler Pflanzen, schwarz auf die Farbe des dunklen Schwemmlandes des Nils. Eine alternative Deutung besagt dagegen, die Farbgebung der Osiris-Darstellungen verweise auf die grün-schwärzliche Verfärbung von Körpern nach dem Tod und die Rolle des Osiris als Totengott.[2] Einige Darstellungen zeigen ihn auch mit weißer Hautfarbe.

Seine Hände ragen aus der Umhüllung hervor und halten als seine Hauptattribute Krummstab (Symbol des guten Hirten) und Flagellum (Symbol der Fruchtbarkeit), die wegen seiner Rolle als Herrscher des Jenseits wahrscheinlich von königlichen Insignien übernommen wurden. In der Art, wie er die Insignien hält, gibt es regionale Unterschiede. So halten die Osirisfiguren aus Mittelägypten die Arme üblicherweise auf gleicher Höhe, während sie in Oberägypten meist gekreuzt sind.

Ab dem Mittleren Reich zeigen ihn die Darstellungen häufig mit der weißen Krone des Südens, die vielleicht auf seine oberägyptische Herkunft hinweist. Eine weitere Bekrönung des Osiris ist die Atef-Krone, die der weißen Krone ähnelt, an der allerdings zwei seitliche Federn und gelegentlich Hörner und Sonnenscheiben befestigt sind.

In späteren Formen sind die Osiris-Darstellungen manchmal mit breiten Schmuckkragen und Armreifen ausgeschmückt, aber auch mit mehr Details bei der Darstellung von Mumienbinden und mit über der Brust gekreuzten Bändern und einer an der Taille festgebundenen Schärpe.[3]

Mythos

Der Osirismythos ist einer der wichtigsten Mythen der ägyptischen Religion. Einzelne Elemente des Mythos findet man, ausgehend von den Pyramidentexten des Alten Reiches, bis in die griechisch-römische Zeit. In geschlossener Erzählform ist der Mythos jedoch erst von dem griechischen Autor Plutarch in seinem Werk Über Isis und Osiris überliefert. Diese Fassung stimmt jedoch in einigen wichtigen Passagen nicht mit den ägyptischen Originaltexten überein, die in sich aber auch nicht vollkommen schlüssig sind.

Nach der ägyptischen Mythologie

Wandgemälde des Osiris

Die ägyptische Mythologie beschreibt, dass sich Osiris und Isis bereits im Mutterleib liebten und einander Schutz und Geborgenheit spendeten. Deshalb wurden sie als Erwachsene ein Paar. Seit der Geburt ist Osiris das Gegenstück zu seinem Bruder Seth: Er schätzte die guten Dinge, während sein Bruder vom ersten Atemzug nur von Hass und Wut getrieben wurde. Seth nahm seine Schwester Nephthys zur Frau, die Zwillingsschwester der Isis. Dies und die polare Gegensätzlichkeit der zwei Götter führten zur gegenseitigen Verabscheuung und sie begannen, sich für lange Zeit zu bekriegen.

Eines Tages erfuhr Isis, dass ihre Schwester Nephthys sich an ihrer statt ausgegeben und den Beischlaf mit Osiris gehalten hatte. Nephthys bekam große Furcht, dass ihr Gatte Seth dies herausfinden könnte, weshalb sie das bald geborene Kind von Osiris aussetzte. Mit Hilfe von Hunden fand Isis dieses Kind, nahm es mit und zog es auf. Später wurde es als Anubis, Gott der Einbalsamierer und Beschützer der Verstorbenen, ihr Wächter und Begleiter.

Zu der Zeit, als Isis das Kind fand, tötete Seth seinen Bruder Osiris, indem er ihn bei einem Gastmahl überlistete. Er zerstückelte dessen Leiche und verstreute sie im ganzen Land. Daraufhin machte sich die trauernde und verzweifelte Isis auf die Suche nach den Überresten ihres geliebten Gemahls Osiris, um diese anschließend mit Hilfe von Magie wieder zusammenzufügen. Sie verwandelte sich in einen Schwarzmilan, einem habichtartigen Greifvogel, und hauchte dem Toten mit den Flügeln wieder das Leben ein. So konnte sie von ihrem Gemahl einen gemeinsamen Sohn, den Sonnengott Horus, empfangen. Horus wurde in Buto aufgezogen, damit er Seth nicht zu früh nahekommen konnte. Als der Knabe jedoch herangewachsen war und die Geschichte über seinen Vater erfuhr, empfand er nur noch Hass für Seth und übte jeden Tag, um ihn in einem Kampf schlagen und töten zu können.

Durch die Ermordung des Osiris war das Jenseits entstanden, und so wurde Isis auserwählt, es mit dem Diesseits zu verbinden. Zusammen mit Nephthys bewachte Isis die letzte Pforte der Unterwelt, durch die der Sonnengott zur Oberwelt reiste. Die beiden Frauen beweinten und belebten die Verstorbenen, und besuchten häufig den Leichnam des Osiris.

Nachdem Osiris seinen Sohn Horus auf der Erde besucht und ihm Mut zum Kampf gegen Seth geschenkt hatte, begann der unerbittliche Kampf zwischen Horus und Seth, der vier ganze Tage anhielt. Horus ging dabei als Sieger hervor und wurde der neue König von Ägypten.

Darstellung des Mythos durch Rudolf Steiner

Osiris im Totenbuch
„Es herrschte in früherer Zeit lange noch auf Erden, zum Segen der Menschheit, Osiris, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, welcher später charakterisiert ist in dem, daß die Sonne stand im Zeichen des Skorpion. Da war es, daß der Bruder Typhon oder Set den Osiris tötete. Er tötete ihn in der Weise, daß er ihn veranlaßte, sich in einen Kasten zu legen, welchen er schloß und dem Meere übergab. Isis, die Schwester und Gemahlin des Osiris, suchte ihren Bruder und Gemahl, und als sie ihn gefunden hatte, brachte sie ihn nach Ägypten. Aber da strebte der böse Typhon wieder nach der Vernichtung des Osiris, er zerstückelte ihn. Isis sammelte nun die einzelnen Teile und begrub sie an verschiedenen Orten. – Man zeigt auch heute noch in Ägypten verschiedene Osirisgräber. – Dann gebar Isis den Horus, und Horus rächte seinen Vater Osiris an Typhon. Osiris wurde wiederum in die Welt der göttlich-geistigen Wesen aufgenommen, und ist zwar nicht mehr auf der Erde tätig, aber er ist dort für den Menschen tätig, wenn dieser zwischen Tod und einer neuen Geburt in der geistigen Welt weilt. Daher stellte man sich auch den Weg des Toten in Ägypten vor als den Weg zum Osiris.“[4]

Bedeutung des zerteilten Osiris

Der Osirismythos beschreibt nach Rudolf Steiner einen Markstein in der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Nach seinen Forschungen korrespondieren einzelne Organe des Menschen mit den Gottheiten Osiris, Isis und Horus:

Horus – Osiris – Isis
„Was ist der ursprüngliche Osiris, der unzerstückelte Osiris? Was ist der zerteilte Osiris? Was vorher noch eine Einheit war im Menschen, das ist jetzt zerstückelt in die achtundzwanzig Nerven. Wir haben gesehen, wie er in uns selbst zerstückelt liegt. Ohne das hätte niemals bewirkt werden können, daß die menschliche Gestalt entstanden ist. Was hat sich aber zunächst unter dem Einfluß von Sonne und Mond gebildet? Zunächst entstand durch das Zusammenwirken aller der Nervenstränge nicht nur äußerlich Männliches und Weibliches, sondern auch im Inneren des Menschen entstand etwas durch den Einfluß des männlichen und weiblichen Prinzips. Es entstand die innerliche Isiswirkung, und diese innerliche Isiswirkung, das ist die Lunge. Die Lunge ist der Regulator der Einflüsse des Typhon oder Set. Und das, was auf den Menschen von Osiris aus wirkt, das wirkt, indem es die weibliche Wirkung anregt, in männlicher Art so, daß produktiv gemacht wird die Lunge durch den Atem. Durch die Wirkungen, die ausgehen von Sonne und Mond, wird geregelt das männliche und weibliche Prinzip: in jedem Weiblichen ein Männliches – der Kehlkopf; in jedem Männlichen ein Weibliches – die Lunge.
Innerlich wirkt Isis und Osiris in jedem Menschen, in bezug auf seine höhere Natur. So ist jeder Mensch doppelgeschlechtlich, denn jeder Mensch hat Lunge und Kehlkopf. Jeder Mensch, ob Weib oder Mann, hat gleich viele Nerven. Und nunmehr, nachdem sich auf diese Weise Isis und Osiris der niederen Natur entrissen haben, da haben sie den Sohn geboren, den Schöpfer des zukünftigen Erdenmenschen. Beide haben hervorgebracht den Horus. Isis und Osiris haben gezeugt das Kind, gehütet und gepflegt von der Isis: das menschliche Herz, gehütet und gepflegt von den Lungenflügeln der Mutter Isis. Hier haben wir in der ägyptischen Vorstellung etwas, was uns zeigt, daß in diesen alten Mysterienschulen das, was höhere Natur des Menschen geworden war, als Männlich-Weibliches angesehen wurde: das, was der Inder als Brahma erkannte. Dem indischen Schüler, dem wurde schon im Urmenschen gezeigt, was später einmal als jene höhere Gestalt erscheint. Horus, das Kind wurde ihm gezeigt, und es wurde ihm gesagt: das alles ist entstanden durch den Urlaut, durch die Vâc, den Urlaut, der sich differenziert in viele Laute. – Und das, was der indische Schüler erlebte, das ist uns erhalten geblieben in einem merkwürdigen Spruch im Rigveda. Eine Stelle steht darinnen, die heißt: Und es kommen über den Menschen die sieben von unten, die acht von oben, die neun von hinten, die zehn aus den Gründen des Felsengewölbes und die zehn aus dem Inneren, während die Mutter sorgt für das zu tränkende Kind. – Das ist eine merkwürdige Stelle. Stellen wir uns einmal diese Isis, die ich als Lunge schilderte, diesen Osiris, den ich geschildert habe als Atmungsapparat, vor, und denken wir das alles: wie da die Stimme hineinwirkt, sich differenziert als Kehllaute, Lungenlaute, wie sie in Buchstaben sich differenziert. Diese Buchstaben kommen von verschiedenen Seiten: sieben kommen von unten aus der Kehle und so weiter. Das eigentümliche Wirken von allem, was mit unserem Luftapparat zusammenhängt, ist darin niedergelegt. Wo der Laut sich differenziert und gliedert, da ist die höhere Mutter, die das Kind hegt und pflegt – die Mutter: die Lunge; das Kind: das unter allen den Einflüssen gebildete menschliche Herz, aus dem die Impulse kommen, die Stimme zu beseelen.“[5]

Geistige Bedeutung des Todes von Osiris

Osiris (Grabstätte von Nefertari)

Rudolf Steiner bringt den Tod des Osiris als Bild in den Zusammenhang mit dem Verlust des Menschen, in sogenannten Imagination leben zu können, wie dies in älteren Zeiten der Fall war. Der Mensch hatte – und dies ist für seine Entwicklung notwendig – das „alte Hellsehen“ oder das intuitive, damals noch naturgegebene Fühlen für die geistigen Welten verloren. Er sagt, dass dieser Zeitpunkt des Verlustes mit einer bestimmten Konstellation der Sterne im Kosmos in Verbindung stand:

„Die Ägypter hinwiederum haben sich gesagt: Jene Zeit, in der die Menschen noch unmittelbar mit den Imaginationen lebten, das war die Zeit, in der Osiris auf Erden gewandelt hat. – Sie meinten natürlich nicht einen Osiris, sondern man meinte, daß es überhaupt eine Zeit gab, in der die Menschen auf der Erde in Imaginationen lebten, und diese Artung der Menschenseelen, in Imaginationen leben zu können, die bezeichnete man eben dadurch, daß man sagte: Osiris herrschte auf Erden. Verlorengegangen, getötet worden war dieses Leben in Imaginationen. Osiris ist von seinem Bruder – das heißt von derjenigen Kraft der Menschenseele, die zwar auch noch auf das Übersinnliche geht, aber nicht mehr die imaginativen Fähigkeiten entwickeln will –, von Typhon getötet worden. Es ist nicht mehr das alte Hellsehen vorhanden. Die Kräfte, die im alten Hellsehen tätig waren, sind jetzt bei den Toten. Deshalb ist Osiris der Totenrichter. Der Mensch trifft ihn, wenn er durch die Pforte des Todes gegangen ist. Mit dem Todesgeheimnis zusammen brachten die Menschen, welche die Osirismythe in den Mittelpunkt ihres Denkens stellten, die Gestalt des Osiris und der Isis. Aber es liegt in den Einzelheiten, durch die die Osirismythe ausgestaltet worden ist, all das, was ich so sage, eigentlich drinnen. Es ist auch der Zeitpunkt angegeben, in dem der Sage nach Osiris getötet worden ist von Typhon.
Und geradeso, wie wir hinweisen konnten auf eine ganz bestimmte Himmelskonstellation, welche die Magier des Morgenlandes kannten als diejenige Konstellation, in der die neue Weltenzeit herankommen solle – wir haben in den Weihnachtsvorträgen darauf hingewiesen, daß an einer gewissen Konstellation der «Jungfrau» die Magier des Morgenlandes erkannt haben, daß sie ihre Opfer dem neuen Weltenheiland darzubringen haben –, so haben auch diejenigen, die an die Osirismythe ihre Gedanken anschlössen, zurückverwiesen auf ganz bestimmte Sternenkonstellationen. Sie haben gesagt: Osiris wurde getötet – sie wollten sagen: Hingeschwunden ist das alte Leben in den Imaginationen –, als die im Herbste untergehende Sonne im siebzehnten Grad des Skorpion stand, und an dem entgegengesetzten Punkte der Vollmond im Stier oder in den Plejaden aufging. Diese Konstellation des im Stier in einem bestimmten Jahrpunkte aufgehenden Vollmondes im Zusammenhange mit der Skorpionstellung der Sonne, diesen Zeitpunkt der Entwickelung haben die Osirisbekenner als denjenigen angegeben, in dem Osiris von der Erde verschwunden ist, das heißt, in dem er nicht mehr da war.“[6]

Osiris und Christus

In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar wurde im hellenistischen Ägypten das Fest des aus der Jungfrau Kore (= Persephone) geborenen Sonnengottes Aion gefeiert, der auch mit Osiris als irdischer Erscheinung des Re gleichgesetzt wurde. Am folgenden Tag, dem 6. Januar, wurde heilbringendes Wasser aus den Fluten des Nil geschöpft.[7] Es wurde mit diesem Osirisfest auf das zur Erde herabsteigende menschheitliche Manas (Geistselbst) hingewiesen, das in der lemurischen Zeit gleichsam zerstückelt wurde, in den einzelnen Menschenleibern sein Grab fand und erst durch eine Art von allgemeiner Taufe aus dem Wasser heraus wiedergeboren wurde. Später wurde von den Christen auf diesen Tag das Dreikönigsfest bzw. das Epiphaniasfest festgelegt, das an die Jordan-Taufe erinnert. Rudolf Steiner schreibt dazu:

Der Christus als Menschheitsrepräsentant.
„[…] der 6. Januar ist dasselbe Datum, an welchem im alten Ägypten das sogenannte Osirisfest gefeiert wurde, das Fest des wiedergefundenen Osiris. Osiris wird bekanntlich überwunden von seinem Gegner Typhon, er wird von der Isis gesucht und wiedergefunden. Dieses Wiederfinden des Osiris, des Sohnes Gottes, wird dargestellt durch das Fest vom 6. Januar. Das Dreikönigsfest ist dasselbe Fest, nur daß es christlich geworden ist. Dieses Fest finden wir auch bei den Assyrern, den Armeniern und den Phöniziern. Überall ist es da ein Fest, das verknüpft ist mit einer Art von allgemeiner Taufe, wo aus dem Wasser heraus eine Wiedergeburt stattfindet. Das deutet schon den Zusammenhang an mit dem wiedergefundenen Osiris. Was ist überhaupt der verschwundene Osiris? Der verschwundene Osiris stellt uns dar jenen Übergang, der stattfindet zwischen den Zeiten vor der Mitte der lemurischen Rasse und den Zeiten nach der Mitte der lemurischen Rasse. Vor der Mitte der lemurischen Rasse gab es keinen Menschen, der mit Manas begabt war. Erst in der Mitte der lemurischen Zeit senkte sich Manas herab und befruchtete die Menschen. In jedem einzelnen Menschen wird ein Grab geschaffen für das in die Menschheit aufgeteilte Manas (Geistselbst) – für Osiris, der dargestellt wird als zerstückelt. Es ist die manasische Gottheit, die aufgeteilt worden ist und in den Menschen wohnt. Gräber des Osiris heißen die menschlichen Körper in der ägyptischen Geheimsprache. Manas ist so lange nicht befreit, bis die wiedererscheinende Liebe Manas befreien kann.“[8]
„Osiris stellte ja für die Ägypter gewissermaßen dasjenige dar, was ihnen eine Art Repräsentant war des noch nicht gekommenen v; aber sie stellten sich auf ihre Art das Sonnenwesen vor in Osiris. Sie stellten sich vor, daß dieses Sonnenwesen in einer gewissen Weise verlorengegangen sei, und daß es wieder gesucht werden muß. Wir können uns nicht vorstellen, daß unser Sonnenwesen, der durch das Mysterium von Golgatha gegangene Christus, für die Menschheit verlorengehen könnte, da er einmal heruntergestiegen ist aus geistigen Höhen, sich mit dem Menschen Jesus von Nazareth verbunden hat und fortan bei der Erde bleibt. Er ist da, und der entsprechende Weihnachtsgesang darf jedes Jahr verkünden: Uns wird der Heiland geboren –, indem er damit ausdrückt das nicht Vorübergehende dieses Ereignisses, sondern das Ewige desselben, indem er damit ausdrückt, daß nicht nur damals in Bethlehem der Jesus geboren worden ist, sondern daß er im Grunde genommen immerfort geboren wird, das heißt, bei dem Erdensein verbleibt. Also dasjenige, was uns der Christus ist, das kann nicht verlorengehen.“[9]

Osiris als Gestalt des reinen Geistlebens

Die Forschungen von Heinz Grill kommen zu dem Ergebnis, dass es die Gottgestalt Osiris nie in der irdischen Welt gegeben hat. In der Nacht jedoch trifft jeder Mensch in den geistigen Welten auf diese Gottheit:

„Horus ist nach der ägyptischen Mythologie im Bilde der aufgehenden Sonne benannt, Re ist die Gottheit der Mittagssonne, der Stunde des Zenits, und Atum ist die Gottheit der im Rot versinkenden Abendsonne. Osiris, die höchste Gottheit, regiert die Nachtphase. Sie ist die göttliche Gestalt des reinen Geistlebens, denn in der Nacht, wenn alles Treiben auf der Erde zur Ruhe gelangt und der physische Körper des Menschen schläft, wandert seine Seele hinauf in die geistigen Welten und trifft dort auf die Gottheit Osiris. Die Gottgestalt Osiris, hier in der Mitte des Bildes dargestellt, hat es nie in der irdischen Welt gegeben. Sie steht als große Gottheit in der jenseitigen Welt.“[10]

Der innere Bezug von Osiris und Isis zum Menschsein

Nach Rudolf Steiner verhalten sich Osiris und Isis zueinander wie das aktive Denken (Osiris) zu den passiven Gedanken, Vorstellungen und Begriffen (Isis):

Osiris und Isis (Ägyptisches Museum Leipzig)
„Die Kräfte, welche der Menschheitsentwickelung ursprünglich zugrunde liegen, müssen nach altägyptischer Anschauung in einer Zweiheit erfaßt werden, in einer solchen Zweiheit, daß man das eine Element derselben mit dem Namen Osiris und das andere mit dem Namen Isis belegt: Osiris-Isis. Wenn wir in uns selber blicken und dabei die Empfindungen, das Gefühl des alten Ägypters gebrauchen, so können wir uns sagen: Wir haben in uns zunächst das aktive Denken. Man braucht sich nur zu erinnern, wie gedacht werden muß, wenn ein Gedanke zuletzt entsteht, wenn wir zum Beispiel den Gedanken eines Dreieckes in uns haben. Da muß das aktive, das tätige Denken vorangehen, um den Gedanken eines Dreieckes zu bilden. Nachdem wir in der Seele tätig waren, können wir uns passiv zu dem Ergebnis unseres Denkens, zu unseren Gedanken und Vorstellungen wenden. Wir sehen zuletzt in unserer Seele die Gebilde unseres aktiven Denkens. Wie nun das Denken zu den Gedanken, wie das Vorstellen zu den Vorstellungen, wie das Tätige zu dem, was aus dem Tätigen wird und zuletzt vor uns steht, so verhält sich Osiris zu Isis. Man möchte auch sagen: Das Tätige erscheint uns wie ein Väterliches, wie ein männliches Prinzip: das Osiris-Prinzip, wie ein Kämpfendes, das dann unsere Seele erfüllt, anfüllt mit Gedanken und Empfindungen. Und wie der Mensch hier steht, sagte sich der alte Ägypter, wie die Stoffe, die in seinem Blut leben oder seine Knochen bilden, nicht immer in seinem Blut und in seinen Knochen waren, sondern draußen im Weltenraume zerstreut vorhanden waren, wie dieser ganze physische Leib ein Zusammenschluß von physisch verfolgbaren Stoffen ist, die hereinwandern in die menschliche Form, während sie vorher draußen im Universum ausgebreitet waren, so ist es mit unserer Denkkraft, sie ist in uns Vorstellungskraft. So wie die Stoffe in unserem Blut einmal drinnen sind in der Menschenform und das andere Mal draußen ausgebreitet sind, so ist die Osiris-Kraft als Denkkraft in uns tätig und ausgebreitet im geistigen Weltall als Osiris, als die das ganze Weltall durchlebende und durchwebende Osiris-Kraft, die ebenso einzieht in den Menschen wie die Stoffe, die dann das Blut und die Knochen im Körperhaften des Menschen zusammensetzen. Und in die Gedanken und Vorstellungen und Begriffe fließen ein die um das Universum webenden und lebenden Isis-Kräfte. So müssen wir uns zunächst den Aufblick in der Seele des alten Ägypters zu Osiris und Isis vorstellen.[11]

Siehe auch

Literatur

  • Hans Förster: Die Anfänge von Weihnachten und Epiphanias. Eine Anfrage an die Entstehungshypothesen (= Studien und Texte zu Antike und Christentum. Bd. 46). Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 3-16-149399-0.
  • Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne. Das sogenannte Nutbuch (= The Carsten Niebuhr Institute of Ancient Eastern Studies publications. Nr. 31). Museum Tusculanum Press, Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0406-5.
  • Alexandra von Lieven: Wein, Weib und Gesang. Rituale für die Gefährliche Göttin. In: Carola Metzner-Nebelsick (Hrsg.): Rituale in der Vorgeschichte, Antike und Gegenwart. Studien zur Vorderasiatischen, Prähistorischen und Klassischen Archäologie, Ägyptologie, Alten Geschichte, Theologie und Religionswissenschaft. Interdisziplinäre Tagung vom 1. bis 2. Februar 2002 an der Freien Universität Berlin. Leidorf, Rahden 2003, ISBN 3-89646-434-5, S. 47–55.
  • Rudolf Steiner: Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins, GA 60 (1983), ISBN 3-7274-0600-3.
  • Rudolf Steiner: Ägyptische Mythen und Mysterien, GA 106 (1992), ISBN 3-7274-1060-4.
  • Rudolf Steiner: Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung, GA 180 (1980), ISBN 3-7274-1800-1.

Einzelnachweise

  1. Jan Assmann: Tod und Jenseits im Alten Ägypten. 2003, S. 164; Jan Assmann: Ägyptische Hymnen und Gebete. 2. verbesserte und erweiterte Auflage. Universitätsverlag, Freiburg (Schweiz) 1999, ISBN 3-7278-1230-3, S. 52.
  2. David A. Falk: „My Putrefaction is Myrrh“: The Lexicography of Decay, Gilded Coffins, and the Green Skin of Osiris. In: Journal of Ancient Civilizations. Band 33, Nr. 1, 2018, S. 27–39, hier S. 29.
  3. Richard H. Wilkinson: Die Welt der Götter im Alten Ägypten. Stuttgart 2003, S. 120 ff.
  4. Rudolf Steiner: Ägyptische Mythen und Mysterien. GA 106. 5. Auflage. Rudolf Steiner Verlag Dornach. 1992, ISBN 3-7274-1060-4, S. 83 f. (online)
  5. Rudolf Steiner: Ägyptische Mythen und Mysterien. GA 106. 5. Auflage. Rudolf Steiner Verlag Dornach. 1992, ISBN 3-7274-1060-4, S. 83 f. (online)
  6. Rudolf Steiner: Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung. GA 180. 2. Auflage. Rudolf Steiner Verlag Dornach. 1980, ISBN 3-7274-1800-1, S. 152. (online)
  7. Dreikönigsfest – Heilige drei Könige – Erscheinungsfest – Epiphanias. Abschnitt „Geschichtliches zum Erscheinungsfest“ auf logo-buch.de.
  8. Rudolf Steiner: Das Dreikönigsfest. Hörernotizen von einem Vortrag vom 30. Dezember 1904, S. 4. (online)
  9. Rudolf Steiner: Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen. Die Suche nach der neuen Isis, der göttlichen Sophia. GA 202. 4. Auflage. Rudolf Steiner Verlag Dornach. 1993, ISBN 3-7274-2020-0, S. 234. (online)
  10. Heinz Grill: Die Heilkraft der Seele. Der Lichtäther und der Lichtseelenprozess. 3. vollständig überarbeitete Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, 2015, ISBN 978-3-9817200-2-0, S. 14.
  11. Rudolf Steiner: Das Dreikönigsfest. Hörernotizen von einem Vortrag m 30. Dezember 1904, S. 355 f. (online)

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