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Version vom 20. Oktober 2024, 09:06 Uhr
Üben ist ein methodisch wiederholtes Handeln, das darauf zielt, Können zu bewahren, zu erwerben oder zu steigern. Geübt werden Praktiken, die man nicht unmittelbar durch Wille oder Entschluss ausführen kann, wie elementare und leibliche Lebens- und Weltvollzüge wie Gehen und Sprechen, komplexe Fertigkeiten und Fähigkeiten künstlerischer, sportlicher, handwerklicher und geistiger Art sowie individuelle Haltungen und Einstellungen.[1]
Jedes Üben zielt erstens auf eine Sache, ein Thema oder einen Inhalt, die oder der geübt wird und besser gekonnt werden soll (Vokabelüben). Die Übung zielt zweitens auf die Aneignung einer bestimmten Art und Weise, eines Stils und/oder einer Methode, mit der die Sache geübt wird. Sie zielt drittens auf den Übenden selbst, auf sein Selbst, das in der Übung Stil und Form gewinnen soll. Geübt werden deshalb Haltungen und Einstellungen wie Urteilen, Konzentration, Aufmerksamkeit, Ambiguitätstoleranz, Imagination.[1] Kennzeichen der Übung ist die Wiederholung. Sie ist eine auf Stetigkeit und Dauerhaftigkeit angelegte Lernform. Zudem wird nur geübt, wenn man die angestrebte Fähigkeit und Fertigkeit noch nicht „kann“. Enttäuschungen, Irritationen und Scheitern gehören zur Erfahrung des eigenen Nicht-Könnens im Üben. Es ist für Erwachsene immer wieder erstaunlich, Kinder zu beobachten, die mit hoher „Fehler- und Frustrationstoleranz“ etwas üben (das sog. Montessoriphänomen). Darin wird die Intention des Kindes nicht gebremst, wohl aber das Ziel (zunächst) nicht erreicht.
Oft ausgeführte Übungen sind der Schlüssel, um eine außergewöhnliche Fertigkeit oder sogar Meisterschaft zu erlangen.
Durch Üben werden Gedächtnisinhalte und Körperschemata gefestigt und verändert. Übungen sind daher auf Wissen und auf Können gerichtet.[2] Wesentlich für die Übung ist auch, dass mit ihr bestehendes Wissen und Können, Habitus und Kompetenz umgelernt bzw. umgeübt werden kann. Es gibt die sportlichen Übungen (Training), Übungen der verschiedenen Kampfsportarten, Instrumentalübungen (Etüden), geistliche Übungen (Exerzitien), philosophischen Übungen sowie die geistigen Übungen. Im militärischen Bereich wird durch Drill schnelles, unbewusst gesteuertes Handeln einstudiert, im Verkehrssicherheitstraining der Umgang mit Fahrzeug und Verkehrssituation. Jede Übung hat auch bei unterschiedlicher Schwerpunktsetzung eine ästhetisch-sinnliche, eine methodisch-kognitive und eine praktisch-ethische Dimension. In der Neuzeit trat der methodische und kognitive Aspekt immer mehr in den Vordergrund. Die ästhetisch-sinnliche und die praktisch-ethische anderen gingen weitgehend verloren.
Geschichte
In der Antike bei Platon gilt die Übung (askesis) neben den natürlichen Voraussetzungen (physis) und der Lehre (mathesis) als wesentlicher Bestandteil des Lernens (Menon 70a).[3] Sokrates und Platon beziehen in ihrer praktischen Philosophie asketische Übungen auf körperliche und geistige Praktiken gleichermaßen. Im antiken Griechenland gibt es eine Fülle von praktischen Übungen im gymnastischen, medizinischen, erotischen, familiären und philosophischen Bereich. Reines Wissen (episteme) oder schiere Kunstfertigkeit (techne) ohne Übung gelten als ebenso sinn- und nutzlos wie Übung ohne Wissen und Kunstfertigkeit. Die praktischen Übungen sind mit den Praktiken des Wissens verzahnt und werden als Selbstsorge und Lebenskunst gepflegt. Dazu gehören auch Tugenden wie Mäßigung (sophrosyne) und Selbstbeherrschung (enkrateia). Zu einem gelingenden Leben (eudaimonia) tragen nach Aristoteles im Wesentlichen Übungen bei, weil nur eine wiederholte Handlung Tugend zum Habitus (hexis) werden lässt: „Denn das, was wir tun müssen, nachdem wir es gelernt haben, das lernen wir, indem wir es tun. So wird man durch Bauen ein Baumeister und durch Zitherspielen ein Zitherspieler. Ebenso werden wir durch gerechtes Handeln gerecht […]“ (Nikom. Ethik 1103a, 1103b).
Der Grundsatz der Lebenskunst und der Selbstsorge, dass das gelingende Leben der praktischen Übung bedarf, behält in der römischen Kaiserzeit, aber auch im Mittelalter Geltung. Schon im römischen Hellenismus rücken an die Stelle von Erfahrung und Handeln als Ziel der übenden Selbstsorge, Selbsterkenntnis und Wahrheit (Foucault 1990). Das Christentum treibt die Verinnerlichung im Zeichen der Keuschheit, des versprochenen Heils und des kirchlichen Gehorsams voran. Praktische Übungen werden in den Mönchsorden und in den kirchlichen Institutionen an ein persönliches Abhängigkeits- und Gehorsamsverhältnis sowie an das Beichtritual gekoppelt. Sie sind nun Praktiken der Entzifferung des geheimen und verborgenen, „sündigen“ Ich. Religiöse Übungen, Exerzitien, haben das Ziel, dass der Übende in ein Verhältnis zu Gott treten soll. Sie sollen Selbstüberwindung und Selbstordnung ermöglichen. In den „Geistlichen Übungen“ von Ignatius von Loyola wird dieses nach innen gerichtete Ziel didaktisch auf eine ganze Reihe von „äußerlichen“ Einzelzielen heruntergebrochen und durch ein System von Veranschaulichungen, Inszenierungen und Hilfen unterstützt, die einen stufenweisen Fortschritt ermöglichen sollen. Bei Ignatius findet sich über die antike Tradition der praktischen Übung und der Rhetorik hinaus eine Fülle von ästhetischen Übungsformen, die auf die „Anwendung der Sinne“ zielen.[4][5]
Sowohl die ästhetisch-sinnliche als auch die praktisch-ethische Dimension der Übung geht in der Neuzeit weitgehend verloren. Die geistige Übung als Meditation wird die bestimmende Form in der Philosophie. In den Meditationen von René Descartes und in der „ethischen Asketik“ Immanuel Kants wird Übung als eine Operation der Urteilskraft (KdrV B 172) gesehen, mit der die Regeln und Gesetze der Vernunft in Können umgesetzt werden. Der neuzeitliche Dualismus von Geist und Körper manifestiert sich in der Trennung von geistigen Übungen (der Urteilskraft, Vernunft) einerseits und leiblichen oder motorischen Übungen andererseits, die nun weitgehend getrennt ausgeführt werden. Die kulturellen Praktiken der sportlichen Übungen (Training), der musikalischen Übungen (Instrumentalisten, Virtuosen), der gezielten Übungen in spezifischen Leistungsdomänen (z. B. Schach) und der geistigen Übungen der intellektuellen Disziplinen sowie geistige und geistliche Meditationsformen (z. B. Zen bilden heute spezialisierte und differenzierte Formen beachtlicher Expertenschaft aus.[1]
Bei der Neuentwicklung von gesellschaftlichen Organisationsformen auf ehrenamtlicher Basis beispielsweise in Form von Freiwilligen Feuerwehren galt als wichtigste Maßnahme die Durchführung von Übungen.[6]
Pädagogik
Pädagogisch manifestiert sich der neuzeitliche Dualismus in der Unterrichtslehre des Philanthropismus im 18. Jh. über den Herbartianismus des 19. Jh. bis heute. Übung wird als sekundäre Lernform der Verarbeitung bzw. der Festigung bestimmt, die der Einsicht, dem Verstehen und Erklären nachgeordnet ist. Bis heute sind diese Stufen bzw. Phasen im Unterricht bestimmend: Einstieg, Erarbeitung, Anwendung bzw. Übung.[7] Die Übungs-Technologien einer dysfunktionalen Erziehung im 19. Jh. sollen durch Drill, mechanisches Pauken und stumpfes Automatisieren disziplinieren und normieren. Reformpädagogische Methodik lockert die Übungsmethoden auf und differenziert sie erheblich, kann aber nicht verhindern, dass Übungen in der Schule im Abseits stehen, meist als Nachbeschäftigung zuhause in Form von Hausaufgaben.[8] Übungen in der Schule zielen auf den Leib, ob durch Automatisierung und Stillsitzen oder in der sozialpädagogischen, „indirekten“ und reflektierten Disziplinierung im „Trainingsraum“. Übungen sind probate Mittel, über den „Körper“ den „Geist“, über die Selbstbeherrschung die gesellschaftliche Ordnung und über das Training die sozialen Normen „einzuleiben“.[9] In den letzten Jahren findet in der Pädagogik eine Wiederkehr der Übung statt. Intelligente Übungsaufgaben und Aufgabenformate sowie eine neue Reflexion auf die Übung als pädagogische Lernform soll die Bedeutung der Übung für Lernen und Unterricht erhöhen.[10]
Funktionsweise
In den Neurowissenschaften nimmt man an, die Fähigkeit des Gehirns, durch Wiederholung sich etwas zu merken, habe mit der Arbeitsweise der Nervenzellen und ihrer Schaltstellen, den Synapsen zu tun. Das Gehirn benötigt zur Wiedergabe einer einstudierten Bewegung oder eines Textes und anderer Lerninhalte eine den Lerninhalt repräsentierende Verschaltung. Durch die mehrmalige Benutzung des gleichen Schaltmusters bildet sich dieses erst aus. Die erfolgreichste Vorgehensweise zur Herstellung der richtigen Verschaltung ist das wiederholte, möglichst gleichförmige fehlerfreie Ausführen des geplanten Vorgangs: Die Übung.
Für weitere Informationen siehe den Artikel Übung in der deutschen Wikipedia.
Redewendungen
- „Übung macht den Meister.“
- „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“
- „Früh übt sich, wer ein Meister werden will.“
- „Sich in Geduld üben.“
Fotos einiger fernöstlicher Übungen
-
Chi Sao-Übung
Wing Chun
Schönheit und Ästhetik im Sport
Die Frage der Ausgewogenheit zwischen Leistung und ästhetischer Ausgestaltung einer Übung stellt sich sich im professionellen Sport und scheint sich nicht mehr die Waage zu halten. Vielfach geht die Bemühung in Richtung Leistungssteigerung, während die Ästhetik und die Schönheit der Bewegung an die zweite Stelle rücken.
Heinz Grill sieht im Sport aus geistiger Sicht die Möglichkeit zu einer ästhetischen Ausrichtung und zu sinnvollen sozialen Begegnungen im Miteinander:
- „Es ist aber nicht die Kompetition, die im Vordergrund steht, sondern mehr die ästhetische Ausrichtung von Bewegungen und sinnvolle soziale Begegnungen im Miteinander. Keinesfalls wäre der Sport eine Form der Zerstreuung. Er bietet vielmehr eine Möglichkeit der ästhetischen Weiterentwicklung und dies in ganz besonderem Maße im menschlichen Miteinander.“[11]
Nachfolgend eine Auswahl von Leistungssportlern, die in ihrer Sportart Ästhetik und Schönheit ausdrücken:
Peggy Fleming
Peggy Fleming (* 1948) ist eine ehemalige US-amerikanische Eiskunstläuferin. Sie ist die Olympiasiegerin von 1968 und die Weltmeisterin von 1966 bis 1968.
Peggy Fleming sagte in einem Interview im Jahr 2020, dass das Technische im Eissport eine zu große Betonung bekommen und das Künstlerische auf die Seite gedrängt habe (“the artistry has been pushed aside”).[12]
Yuzuru Hanyu
Yuzuru Hanyu (* 1994) ist ein japanischer Eiskunstläufer, der sich gleichermaßen durch eine herausragende Technik und eine besonders ästhetische Bewegungsform auszeichnet. Er ist der Olympiasieger von 2014 und 2018 sowie der Weltmeister von 2014 und 2017.
Sofia Raffaeli
Sofia Raffaeli (* 2004) ist eine italienische Rhythmische Sportgymnastin. Bei den Weltmeisterschaften 2022 gewann Sofia Raffaeli fünf Goldmedaillen und eine Bronzemedaille, bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris errang sie die Bronzemedaille. Sie wird als einer der „aufstrebenden Sterne der rhythmischen Gymnastik auf Weltniveau” bezeichnet, deren Kennzeichen „Anmut, Beweglichkeit und explosive Kraft” seien.[13]
Geistige Übung (Auswahl)
Grundsätzliches
Was macht eine geistige Übung aus? Wann eine Übung eine schöpferische geistige Komponente erhält, die sie aus Automatismen und dem Streben nach Selbstbestätigung oder des gesundheitlichen Gewinns enthebt, entscheidet der Mensch. Es liegt nicht allein an der Übung, wann sie spirituell oder entwicklungsfreudig wird, sondern an dem Inhalt, den der Mensch der Übung beimisst. Auch eine „unspirituelle“ Übung kann zu einer geistigen Übung werden, wenn der Mensch sie mit einer geeigneten Vorstellung begleitet.
Eine Übung aus dem Taekwondo als Beispiel:
Das Foto zeigt den Ablauf eines hohen Fußkicks von innen nach außen. In der Regel wird diese Bewegung im Kampfsport so lange geübt, bis sie automatisiert ist und intuitiv aus einem Willensimpuls ausgeführt werden kann.
Zu einer geistigen Übung im elementaren Sinne wird sie, wenn ihr der Kampfsportler eine bewusste Vorstellung zugrundelegt, die beispielsweise wie folgt gedacht werden kann: Das Bein soll leicht und wie schwerelos in die Höhe steigen, den Kreisbogen beginnend, dann erfolgt am höchsten Punkt eine größtmögliche Beschleunigung, so dass sich die Ferse blitzschnell nach unten bewegt und den Halbkreis schließt.
Die bewusste Vorstellung verleiht der Übung Eleganz, sie wird ästhetischer und erscheint freier im Ausdruck. Je weisheitsvoller die Inhalte sind, die der Mensch in jegliche Übung legt, desto harmonischer, ästhetischer und entwicklungsfreudiger wird das Ergebnis der Übung sein.
Yogaübung
Im Yoga kann den Übungen beispielsweise ein Gedanke zu ihrer seelischen Bedeutung beigemessen werden. Am Beispiel der Yogaübung Waage könnte dieser Gedanke lauten:
- „Bei der Zentrierung auf das maṇipūra-cakra, das dritte Zentrum, nimmt der Übende sich den Konzentrationspunkt in der Körpermitte vor und er erlebt sich in kraftvollem aktivem Ausgespanntsein aus diesem Punkte. Er fühlt die Gliedmaßen förmlich von aktiver Spannkraft durchströmt und gleichzeitig bemerkt er ein Zentrum in sich und eine Gliederung nach außen.“[14]
Legt man der Übung Waage diese Idee zugrunde und dehnt sich spannkräftig aus der Körpermitte in beide Richtungen – bis über die Fingerspitzen und die Fußsohlen hinausgehend –, beginnt der Körper, mehr und mehr der Idee zu folgen. Da die Idee weisheitsvoll ist, entsteht ein ästhetischer harmonischer Ausdruck.
Links zu inhaltlichen Ausarbeitungen von anderen Yogaübungen finden Sie im Artikel Swami Vishnudevananda.
Anthroposophie
Die Anthroposophie kennt eine Vielzahl von geistigen Übungen. Eine Zusammenstellung ausgewählter Übungen finden sie im Artikel Seelenübungen in AnthroWiki.
Gedankenkontrolle
Die folgende Übung heißt Gedankenkontrolle und erzieht das Denken des Menschen. Rudolf Steiner beschreibt sie mit immer wieder anderen Worten in verschiedenen Vorträgen und Büchern. Sie ist die erste Übung der sogenannten Nebenübungen und ebenfalls die erste Übung zur Entwicklung des Herzzentrums.
Das Denken übt, sich Richtung und Ziel selbst zu geben. Die Übung fördert innere Festigkeit und die Fähigkeit, konsequent bei dem vorgenommenen Gegenstand oder bei der Sache zu bleiben. Durch diese Übung lernt das Denken, „sein eigener Korrektor“ zu sein. Es erzieht sich selbst, nicht bunt umherzuschweifen oder zu „irrlichterieren“, wie Rudolf Steiner es nennt:
- „Deshalb sollen entsprechende «Denkübungen» nicht an fernliegenden und komplizierten Gegenständen vorgenommen werden, sondern an einfachen und naheliegenden. Wer sich überwindet, durch Monate hindurch täglich wenigstens fünf Minuten seine Gedanken an einen alltäglichen Gegenstand (zum Beispiel eine Stecknadel, einen Bleistift usw.) zu wenden und während dieser Zeit alle Gedanken auszuschließen, welche nicht mit diesem Gegenstande zusammenhängen, der hat nach dieser Richtung hin viel getan. (Man kann täglich einen neuen Gegenstand bedenken oder mehrere Tage einen festhalten.) Auch derjenige, welcher sich als «Denker» durch wissenschaftliche Schulung fühlt, sollte es nicht verschmähen, sich in solcher Art für die Geistesschulung «reif» zu machen. Denn wenn man eine Zeitlang die Gedanken heftet an etwas, was einem ganz bekannt ist, so kann man sicher sein, daß man sachgemäß denkt. Wer sich frägt: Welche Bestandteile setzen einen Bleistift zusammen? Wie werden die Materialien zu dem Bleistift vorgearbeitet? Wie werden sie nachher zusammengefügt? Wann wurden die Bleistifte erfunden? und so weiter, und so weiter: ein solcher paßt seine Vorstellungen sicher mehr der Wirklichkeit an als derjenige, der darüber nachdenkt, wie die Abstammung des Menschen ist oder was das Leben ist.“[15]
Rückverfolgung des Tages
Entgegen dem äußeren Zeitverlauf beginnt die Tagesrückschau mit dem letzten Ereignis des Abends und rekonstruiert die Tagesereignisse zurück bis zum Aufstehen wie in einem rückwärtslaufenden Film. Dabei nimmt man zu sich selbst einen neutralen Standpunkt ein – wie der Betrachter eines Films im Kino. Dies erfordert gewissermaßen ein „Ausspuren“ des gewohnten Denkens, ein „Losreißen“ von demselben und fördert mit der Zeit eine bewusstere freie Aufmerksamkeit während des Alltags. Der Zeitpunkt der Übung ist naturgemäß kurz vor der Schlafengehen, die Dauer etwa 5–10 Minuten:
- „Vorbereiten kann sich gut der Mensch zu einem solchen Losreißen, wenn er in der Lage ist, jeden Abend seine Tageserlebnisse rückwärts vorzustellen, dasjenige zuerst vorzustellen, was man zuletzt erlebt hat, dann rücklaufend, aber womöglich auch die Einzelheiten rücklaufend vorzustellen, so daß man, wenn man eine Treppe hinaufgestiegen ist, zuerst sich vorstellt oben auf der obersten Stufe, dann auf der vorletzten, dritten und so weiter rückwärts hinuntergehend sich vorstellt dasjenige, was man hinaufgehend vollbracht hat.
- Sie werden sagen: Man erlebt so viel am Tage, das dauert lange. Nun, man mache zunächst episodisch wirklich das zunächst, daß man das Hinauf- und Hinuntergehen über eine Treppe umgekehrt vorstellt: Hinunter- und Hinaufgehen; dann bekommt man eine innere Beweglichkeit, so daß man nach und nach wirklich in drei, vier Minuten den ganzen Tagesverlauf des Lebens rückwärtsbewegend vorstellen kann.“[16]
Eine Übung der Rosenkreuzer
Die folgende Übung ist aus den Rosenkreuzerischen Regeln (Archiv Dr. Franz Hartmann) entnommen. Sie ist zwar formuliert im Stil einer Regel, es ist jedoch nicht schwer, für sich selbst eine Übung daraus zu formen. Die religionsübergreifende Dialogfähigkeit und die Erziehung sowohl des Gedankenlebens als auch der Sprachäußerung des Menschen werden gefördert:
- „Erlauben Sie es sich nicht, in Diskussionen über den Glauben anderer mitzustreiten; es sei denn, um deren Qualität und Güte aufzuzeigen, sowie die möglichen positiven Auswirkungen gewisser Lehren; stets sollte man auch das Gute sehen, das in allen Religionen besteht. Die eigenen religiösen Überzeugungen sollten nicht als die allein seligmachenden betrachtet werden. Sollten es die Umstände ermöglichen, so ist es angebracht, über umstrittene Ideen schon auf eine positive Art zu sprechen und aufzuzeigen, wie diese helfen können. Aber man verursache niemals im Bewusstsein eines anderen den Gedanken, dass er sich aufgrund seines Glaubens im Irrtum befindet. Denn immer diejenige Religion ist die beste für das Individuum, die es ihm ermöglicht, Gott und seine geheimnisvollen Wege zu verstehen. […]
- Seien Sie tolerant und sich immer der Tatsache bewusst, dass destruktive Kritik nichts als Sorgen schafft. Solange kein konstruktiver Beitrag geliefert werden kann – lasse man es und schweige.“[17]
Siehe auch
- Übung auf DWDS – Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.
- Grundlagen der Meditation
- Svadhyaya – Studium der Schriften, Studium des Selbst
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Malte Brinkmann: Üben. In: J. Kade (Hrsg.): Pädagogisches Wissen: Erziehungswissenschaft in Grundbegriffen. Stuttgart 2011, S. 140–146.
- ↑ Almut-Barbara Renger; Alexandra Stellmacher (Hrsg.): Übungswissen in Religion und Philosophie. Produktion, Weitergabe, Wandel. Berlin 2018.
- ↑ Michael Erler: Glück aus Tugend durch Übung ohne Philosophie? Platons Übungsbegriff zwischen Sophistik und hellenistischer Philosophie. In: A.-B. Renger; A. Stellmacher (Hrsg.): Übungswissen in Religion und Philosophie. Produktion, Weitergabe, Wandel. Berlin 2018, S. 21–33, insbes. S. 27.
- ↑ Ignatius von Loyola: Geistliche Übungen. Übersetzt von P. Knauer. Würzburg
- ↑ Malte Brinkmann: Über-sich-selbst-siegen und Sein-Leben-ordnen. Pädagogische Anmerkungen zu Macht, Anthropologie und Didaktik in den Geistlichen Übungen von Ignatius von Loyola. In: C. Thompson, G. Weiß (Hrsg.): Bildende Widerstände - widerständige Bildung. Blickwechsel zwischen Pädagogik und Philosophie. Bielefeld 2008, S. 99–120.
- ↑ Franz-Josef Sehr: Die Gründerjahre der Freiwilligen Feuerwehr Obertiefenbach. Sammelwerk: Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 1995. Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg, Limburg 1994, S. 170–171.
- ↑ Klaus Prange: Bauformen des Unterrichts: Eine Didaktik für Lehrer. Bad Heilbrunn/Obb. 1986.
- ↑ W. Fritz Loser: Die Übung im Unterricht und ihr Beitrag zu einer pädagogischen Theorie des Lehrens und Lernens: Unterricht, Aufbau und Kritik. Herausgegeben von F. G. Maurer. Dohmen, München 1976.
- ↑ W. Rudolf Keck: Und immer wieder Drill. Übung als Lernform in der Didaktikgeschichte. In: Friedrich Jahresheft. 2000, S. 20–22.
- ↑ Herbert Gudjons: Intelligentes Üben: Methoden und Strategien. In: Log in. Jg. 26, H. 138/139, Berlin 2006, S. 14–19.
- ↑ Heinz Grill: Sport in Lundo und Naone – ästhetische und soziale Entwicklungen. In: Beiträge zu einem Neuen Yogawillen. Artikel vom 15. Oktober 2023, abgerufen am 17. Oktober 2024.
- ↑ Peggy Fleming: “Nicht jeder ist guter Springer, ich will Eiskunstlauf sehen”. In: olympics.com (ab 4:20).
- ↑ Sofia Raffaeli: Der aufstrebende Stern der rhythmischen Gymnastik. In: ilmessaggero.it. Artikel vom 8. August 2024, abgerufen am 19. Oktober 2024.
- ↑ Heinz Grill: Die Seelendimension des Yoga. 7. unveränderte Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, Sigmaringen 2022, ISBN 978-3-948193-00-3, S. 315.
- ↑ Rudolf Steiner: Die Geheimwissenschaft im Umriß. GA 13. 30. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989, ISBN 3-7274-0130-3, S. 330. (Online)
- ↑ Rudolf Steiner: Initiations-Erkenntnis. GA 227. 4. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2000, ISBN 3-7274-2271-8, S. 60. (Online)
- ↑ AMORC-Bücher (Hrsg.): Rosenkreuzerische Lebensregeln. Praktische Anleitung für bewußte Lebensgestaltung. Teil 3. Verlag AMORC-Bücher, Baden-Baden 1994, ISBN 978-3-925972-13-3.
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