Kulturoase: Unterschied zwischen den Versionen
Präzisierung |
Neuordnung und Straffung |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
__NOINDEX__ | __NOINDEX__ | ||
[[Datei:Koberwitz Schloss.jpg|thumb|370px|Schloss Koberwitz, erbaut 1884, Aufnahme von 1910]] | [[Datei:Koberwitz Schloss.jpg|thumb|370px|Schloss Koberwitz, erbaut 1884, Aufnahme von 1910]] | ||
Die Bezeichnung '''Kulturoase''' geht indirekt auf [[Rudolf Steiner]] (1861–1925), den Begründer der Anthroposophie, zurück. Als Antwort auf eine Frage während des sogenannten „[[a:GA 327|Landwirtschaftlichen Kurses]]“, der vom 7. bis 16. Juni 1924 auf [[w:Schloss Koberwitz|Schloss Koberwitz]], das etwa fünfzehn Kilometer südlich von Breslau gelegen ist, stattgefunden hat, entwarf er die Vision zukünftiger kulturstiftender „Oasen auf dem Lande“ mit spiritueller | Die Bezeichnung '''Kulturoase''' geht indirekt auf [[Rudolf Steiner]] (1861–1925), den Begründer der Anthroposophie, zurück. Als Antwort auf eine Frage während des sogenannten „[[a:GA 327|Landwirtschaftlichen Kurses]]“, der vom 7. bis 16. Juni 1924 auf [[w:Schloss Koberwitz|Schloss Koberwitz]], das etwa fünfzehn Kilometer südlich von Breslau gelegen ist, stattgefunden hat, entwarf er die Vision zukünftiger kulturstiftender „Oasen auf dem Lande“ mit spiritueller Gemeinschafts­bildung. | ||
Es gab und gibt bis heute Personen bzw. Projekte, die sich um die Umsetzung seines Anliegens und der am Pfingstsonntag 1924 ausgesprochenen fünf Kernpunkte dieser Oasen der Zukunft bemühen. Viele dieser Projekte gebrauchen nicht die äußere Bezeichnung „Kulturoase“, folgen aber im inneren Sinn der Vision von Koberwitz. Für Kulturoasen im expliziten Sinn setzten sich heute einige Anthroposophen ein, z. B. [[a:Michael Birnthaler|Michael Birnthaler]]. | Es gab und gibt bis heute Personen bzw. Projekte, die sich um die Umsetzung seines Anliegens und der am Pfingstsonntag 1924 ausgesprochenen fünf Kernpunkte dieser Oasen der Zukunft bemühen. Viele dieser Projekte gebrauchen nicht die äußere Bezeichnung „Kulturoase“, folgen aber im inneren Sinn der Vision von Koberwitz. Für Kulturoasen im expliziten Sinn setzten sich heute einige Anthroposophen ein, z. B. [[a:Michael Birnthaler|Michael Birnthaler]]. | ||
Zeile 10: | Zeile 8: | ||
== Entstehung und Inhalt der Vision == | == Entstehung und Inhalt der Vision == | ||
In der gesammelten Ausgabe der Werke von Rudolf Steiner (GA) ist der Begriff Kulturoase nicht aufzufinden. Dies hat den Grund, dass Rudolf Steiner über dieses Thema anlässlich eines Mittagessen gesprochen hat. Da dies außerhalb der offiziellen Vorträge geschah, wurden seine Worte damals nicht mitstenografiert. Es existieren jedoch verschiedene Notizen und Aufzeichnungen von anwesenden Personen, die über den Inhalt der Aussagen von Rudolf Steiner ein einheitliches gesamtes Bild abgeben. | In der gesammelten Ausgabe der Werke von Rudolf Steiner (GA) ist der Begriff Kulturoase nicht aufzufinden. Dies hat den Grund, dass Rudolf Steiner über dieses Thema anlässlich eines Mittagessen gesprochen hat. Da dies außerhalb der offiziellen Vorträge geschah, wurden seine Worte damals nicht mitstenografiert. Es existieren jedoch verschiedene Notizen und Aufzeichnungen von anwesenden Personen, die über den Inhalt der Aussagen von Rudolf Steiner ein einheitliches gesamtes Bild abgeben. | ||
[[Datei:Count-Carl-von-Keyserlingk-1869-1928-hosted-Rudolf-Steiners-Agriculture-Course-at-his.jpg|thumb|267px|Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk]] | [[Datei:Count-Carl-von-Keyserlingk-1869-1928-hosted-Rudolf-Steiners-Agriculture-Course-at-his.jpg|thumb|267px|Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk]] | ||
[[w:Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk|Carl Graf von Keyserlingk]], der zusammen mit seiner seiner Frau, [[a:Johanna Gräfin Keyserlingk|Johanna Gräfin von Keyserlingk]], Gastgeber für den Landwirtschaftlichen Kurs war, stellte am Pfingstsonntag 1924 Rudolf Steiner zu Tisch die folgende Frage: „Was können Sie voraussehen über die Zukunft von Deutschland?“ Steiner begann seine visionäre Antwort mit der Feststellung, dass Europa auf einem Vulkan sitzen würde, ohne es zu bemerken und er erwähnte einen aufziehenden schrecklichen Weltkrieg und die Zerstörung der mitteleuropäischen Städte.<ref> | [[w:Carl Wilhelm Graf von Keyserlingk|Carl Graf von Keyserlingk]], der zusammen mit seiner seiner Frau, [[a:Johanna Gräfin Keyserlingk|Johanna Gräfin von Keyserlingk]], Gastgeber für den Landwirtschaftlichen Kurs war, stellte am Pfingstsonntag 1924 Rudolf Steiner zu Tisch die folgende Frage: „Was können Sie voraussehen über die Zukunft von Deutschland?“ Steiner begann seine visionäre Antwort mit der Feststellung, dass Europa auf einem Vulkan sitzen würde, ohne es zu bemerken und er erwähnte einen aufziehenden schrecklichen Weltkrieg und die Zerstörung der mitteleuropäischen Städte.<ref name=":0">Adalbert von Keyserlingk: ''Koberwitz 1924. Die Geburtsstunde einer neuen Landwirtschaft.'' 1. Edition. BoD – Books on Demand, 2018, ISBN 978-3752862775. S. ??? oder ??? Johanna Gräfin von Keyserlingk: ''Zwölf Tage um Rudolf Steiner.'' Scheiffele, Stuttgart 1949, S. 70 ff.</ref> Nach den Aufzeichnungen von Johanna Gräfin von Keyserlingk folgten dann die folgenden Aussagen:<ref name=":0" /> | ||
[[Datei:Wilhelm Rath.jpg|thumb|Wilhelm Rath]] | [[Datei:Wilhelm Rath.jpg|thumb|Wilhelm Rath]] | ||
: „Es wird darauf ankommen, Inseln in klösterlicher Abgeschiedenheit auf dem Lande zu schaffen, in denen dann noch kulturelles deutsches Geistesleben gepflegt werden kann. Das Ausland wird dann seine Söhne und Töchter zur Erziehung dorthin schicken.“ | |||
: „Und man wird weit von einer Insel zur anderen fahren müssen.“ | |||
: „Diese Stätten liegen wie Oasen in der Wüste.“ | |||
[[w:Wilhelm Rath (Schriftsteller)|Wilhelm Rath]], der als Nicht-Landwirt am Kurs in Koberwitz teilnehmen konnte, schrieb den Eindruck nieder, dass die Antwort Rudolf Steiners keine lähmende Wirkung auf die Anwesenden ausgeübt habe, da sich die Worte an den Geistesmut der Menschen gewendet hätten. Weiter notierte er aus der Erinnerung auf: | [[w:Wilhelm Rath (Schriftsteller)|Wilhelm Rath]], der als Nicht-Landwirt am Kurs in Koberwitz teilnehmen konnte, schrieb den Eindruck nieder, dass die Antwort Rudolf Steiners keine lähmende Wirkung auf die Anwesenden ausgeübt habe, da sich die Worte an den Geistesmut der Menschen gewendet hätten. Weiter notierte er aus der Erinnerung auf: | ||
: „So flößte er zugleich Hoffnung ein, wenn er von der Notwendigkeit sprach, stille Zentren eines neuen Geisteslebens in agrarischer Abgeschiedenheit zu begründen, von denen weithin Wirkungen ausstrahlen könnten, wenn dann die westlichen Nationen ihre Söhne und Töchter hierher senden würden.“<ref>Erinnerung von Wilhelm Rath, 12 Tage, S. ???</ref> | |||
Karl Lang erinnerte sich, dass die Oasen auf dem Lande mit einer Landwirtschaft gekoppelt sein sollten.<ref>Beleg suchen</ref> | Karl Lang erinnerte sich, dass die Oasen auf dem Lande mit einer Landwirtschaft gekoppelt sein sollten.<ref>Beleg suchen</ref> | ||
=== Kernpunkte dieser Oasen nach Rudolf Steiner === | === Kernpunkte dieser Oasen nach Rudolf Steiner === | ||
Es lassen sich aus den überlieferten Erinnerungen folgende fünf Kernmerkmale dieser „Oasen“, die die Zukunft benötigen würde, benennen:<ref>Michael Birnthaler: [https://www.youtube.com/watch?v=vGGtAF4LLiI&list=PLKmuXXPenOdTZE2YDlTDbIVW_tI81Qoci&index=7 ''Das „Grundmodell“ von Kulturoasen.''] In: ''Rudolf Steiner und die Anthroposophie'' (YouTube-Kanal). Minute 4:03. Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
Es lassen sich aus den überlieferten Erinnerungen folgende fünf Kernmerkmale dieser | <div style="margin-left:20px"> | ||
<div style="margin-left: | |||
{| class="notiz" | {| class="notiz" | ||
| | | | ||
Zeile 42: | Zeile 35: | ||
</div> | </div> | ||
== | == Umsetzung der Idee == | ||
=== Anthroposophische Bemühungen === | |||
* Schloss Koberwitz durch die Bemühungen von Carl Keyserlingk, 1928 musste es verkauft werden. | * Schloss Koberwitz durch die Bemühungen von Carl Keyserlingk, 1928 musste es verkauft werden. | ||
* Kulturoase Loheland bei Kassel, 1912 gegründet von Hedwig von Rohden und Louise Langgard. Mit Waldorfschule, landwirtschaftlichem Betrieb und Waldorfkindergarten. Später kam ein Internat dazu. | * Kulturoase Loheland bei Kassel, 1912 gegründet von Hedwig von Rohden und Louise Langgard. Mit Waldorfschule, landwirtschaftlichem Betrieb und Waldorfkindergarten. Später kam ein Internat dazu. | ||
Zeile 64: | Zeile 50: | ||
* Sekem, gegründet durch Ibraim Aboulesh. 700 ha Wüstenland wurde in fruchtbare Oase verwandelt. Tausende Menschen haben sich angesiedelt<br /> | * Sekem, gegründet durch Ibraim Aboulesh. 700 ha Wüstenland wurde in fruchtbare Oase verwandelt. Tausende Menschen haben sich angesiedelt<br /> | ||
== | ==== Initiativen von Persönlichkeiten der Gegenwart ==== | ||
Michael Birnthaler | |||
Uwe Burka | |||
Rainer Kroll | |||
Heinz Grill | |||
=== Ökodörfer und Gemeinschaften === | === Ökodörfer und Gemeinschaften === | ||
Unter der Bezeichnung „Ökodorf“ oder „Gemeinschaft“ wurden sehr viele Initiativen gegründet. Diese bezeichnen sich nicht als Kulturoasen, greifen aber Elemente der Idee von Rudolf Steiner aufgreifen und eine idealere, bessere Welt sowie ein menschengerechteres Miteinander fördern und umsetzen wollen. In Bezug auf die Spiritualität gehen sie andere Wege und auch die gemeinschaftsbildenden Maßnahmen werden mit nicht-anthroposophische Formen gestaltet, beispielsweise durch den sogenannten „[[w:M._Scott_Peck#Werk_Gemeinschaftsbildung|WIR-Prozess]]“, einer Methode von [[w:Scott Peck|Scott Peck]].<ref>[https://web.archive.org/web/20131114013717/http://www.schloss-tempelhof.de/wp-content/uploads/2013/05/WIR-Prozess_Zukunftswerkstatt_Tempelhof.pdf ''Gemeinschaftsbildung und WIR-Prozess am Tempelhof.''] In: ''schloss-tempelhof.de.'' Archivlink abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
Beispiele: | |||
Beispiele | |||
[[Datei:Tempelhof (Kreßberg).jpg|thumb|Tempelhof (Kreßberg)]] | [[Datei:Tempelhof (Kreßberg).jpg|thumb|Tempelhof (Kreßberg)]] | ||
* {{Kapitälchen|[[w:Schloss Tempelhof|Schloss Tempelhof]], Kreßberg (Bayern)}}<br> | * {{Kapitälchen|[[w:Schloss Tempelhof|Schloss Tempelhof]], Kreßberg (Bayern)}}<br> | ||
:Schloss Tempelhof ist eine seit 2010 bestehende basis­demokratische Gemeinschaft und Ökosiedlung in Kreßberg. | :Schloss Tempelhof ist eine seit 2010 bestehende basis­demokratische Gemeinschaft und Ökosiedlung in Kreßberg. | ||
* {{Kapitälchen|[[w:Sieben Linden|Sieben Linden]], Beetzendorf (Sachsen-Anhalt)}}<br> | * {{Kapitälchen|[[w:Sieben Linden|Sieben Linden]], Beetzendorf (Sachsen-Anhalt)}}<br> | ||
:Sieben Linden bezeichnet sich als Ökodorf und versteht sich als Modell- und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise, in der Arbeit und Freizeit, Ökonomie und Ökologie, Individuum und Gemeinschaft, weltoffene und dörfliche Kultur in kleinen Lebenskreisen zu einem Gleichgewicht finden. | :Sieben Linden bezeichnet sich als Ökodorf und versteht sich als Modell- und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise, in der Arbeit und Freizeit, Ökonomie und Ökologie, Individuum und Gemeinschaft, weltoffene und dörfliche Kultur in kleinen Lebenskreisen zu einem Gleichgewicht finden. | ||
* {{Kapitälchen|[[w:Tamera|Tamera]], Portugal}}<br> | |||
: | : Tamera wurde 1995 gegründet und ist eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft im Odemira, Alentejo, Portugal. Das Projekt versteht sich als „Friedensforschungszentrum“ und „Heilungsbiotop“. | ||
=== Kulturoasen im Sinne alternativer Kulturprojekte === | |||
Einige Initiativen der Gegenwart nennen sich „Kulturoase“ und bieten Konzerte, Diskussionen, Themenabende, politische Arbeit, Filmvorführungen, Jugendtreffpunkte mit Café, Infoläden, Umsonstläden zur solidarischen Weitergabe von Kleidung etc. | |||
Beispiele: | |||
{{ | [[Datei:Schkeuditz-art Kapella.jpg|mini|art-Kapella auf dem Alten Friedhof Schkeuditz]] | ||
* {{Kapitälchen|[[w:Art Kapella Schkeuditz|art Kapella Schkeuditz]]}}<br> | |||
:Das soziokulturelle Zentrum besteht seit 1995. Insbesondere die Begegnung zwischen Künstlern der bildenden Kunst und von Musikliebhabern finden hier ein Podium. | |||
* {{Kapitälchen|Kulturoase im Skulpturengarten, Nürnberg}}<br> | |||
:Angeboten werden Konzerte, Diskussionen, Themenabende etc.<ref>[https://www.kulturoase-nuernberg.de/ ''Kulturoasis e.V.''] Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
* {{Kapitälchen|Verein Kulturoase e. V., Frankfurt}}<br> | |||
:Diese Kulturoase wurde im Jahr 2016 gegründet und setzt sich für ein friedliches und freies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein. Es soll zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe von Migranten am gesellschaftlichen Leben beizutragen.<ref>[https://kultur-oase.org/uber-uns/ ''Kulturoase Frankfurt – Über uns.''] Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
* {{Kapitälchen|Perma-Kulturoase Sonneberg, Unterrohr (Österreich)}}<br> | |||
:Die Perma-Kulturoase bietet Selbstversorgung, Workshops, Alternative Energielösungen, permakulturelle Lebensraumgestaltung, Feiern und Mitmach-Tage an.<ref>[https://www.kulturoase-sonneberg.de/Start/ ''Perma-Kulturoase Sonneberg.''] Abgerufen am 4. November 2024.</ref> | |||
== Siehe auch == | == Siehe auch == |
Version vom 4. November 2024, 16:16 Uhr
Die Bezeichnung Kulturoase geht indirekt auf Rudolf Steiner (1861–1925), den Begründer der Anthroposophie, zurück. Als Antwort auf eine Frage während des sogenannten „Landwirtschaftlichen Kurses“, der vom 7. bis 16. Juni 1924 auf Schloss Koberwitz, das etwa fünfzehn Kilometer südlich von Breslau gelegen ist, stattgefunden hat, entwarf er die Vision zukünftiger kulturstiftender „Oasen auf dem Lande“ mit spiritueller Gemeinschaftsbildung.
Es gab und gibt bis heute Personen bzw. Projekte, die sich um die Umsetzung seines Anliegens und der am Pfingstsonntag 1924 ausgesprochenen fünf Kernpunkte dieser Oasen der Zukunft bemühen. Viele dieser Projekte gebrauchen nicht die äußere Bezeichnung „Kulturoase“, folgen aber im inneren Sinn der Vision von Koberwitz. Für Kulturoasen im expliziten Sinn setzten sich heute einige Anthroposophen ein, z. B. Michael Birnthaler.
Als Kulturoasen bezeichnen sich in der Gegenwart einige Initiativen, die sich um Kulturentwicklung im alternativen Sinn bemühen und z. B. Konzerte, Diskussionen, Themenabende oder politische Arbeit anbieten. In den Grundideen der zahlreich gegründeten „Ökodörfer“ und „Gemeinschaften“ lassen sich einige der von Rudolf Steiner genannten fünf Punkte finden. Die Bezeichnung als „Oase“ oder „Kulturoase“ verwenden sie jedoch nicht und gehen meist auch in Bezug auf die Spiritualität und die gemeinschaftsbildenden Methoden andere Wege.
Entstehung und Inhalt der Vision
In der gesammelten Ausgabe der Werke von Rudolf Steiner (GA) ist der Begriff Kulturoase nicht aufzufinden. Dies hat den Grund, dass Rudolf Steiner über dieses Thema anlässlich eines Mittagessen gesprochen hat. Da dies außerhalb der offiziellen Vorträge geschah, wurden seine Worte damals nicht mitstenografiert. Es existieren jedoch verschiedene Notizen und Aufzeichnungen von anwesenden Personen, die über den Inhalt der Aussagen von Rudolf Steiner ein einheitliches gesamtes Bild abgeben.
Carl Graf von Keyserlingk, der zusammen mit seiner seiner Frau, Johanna Gräfin von Keyserlingk, Gastgeber für den Landwirtschaftlichen Kurs war, stellte am Pfingstsonntag 1924 Rudolf Steiner zu Tisch die folgende Frage: „Was können Sie voraussehen über die Zukunft von Deutschland?“ Steiner begann seine visionäre Antwort mit der Feststellung, dass Europa auf einem Vulkan sitzen würde, ohne es zu bemerken und er erwähnte einen aufziehenden schrecklichen Weltkrieg und die Zerstörung der mitteleuropäischen Städte.[1] Nach den Aufzeichnungen von Johanna Gräfin von Keyserlingk folgten dann die folgenden Aussagen:[1]
- „Es wird darauf ankommen, Inseln in klösterlicher Abgeschiedenheit auf dem Lande zu schaffen, in denen dann noch kulturelles deutsches Geistesleben gepflegt werden kann. Das Ausland wird dann seine Söhne und Töchter zur Erziehung dorthin schicken.“
- „Und man wird weit von einer Insel zur anderen fahren müssen.“
- „Diese Stätten liegen wie Oasen in der Wüste.“
Wilhelm Rath, der als Nicht-Landwirt am Kurs in Koberwitz teilnehmen konnte, schrieb den Eindruck nieder, dass die Antwort Rudolf Steiners keine lähmende Wirkung auf die Anwesenden ausgeübt habe, da sich die Worte an den Geistesmut der Menschen gewendet hätten. Weiter notierte er aus der Erinnerung auf:
- „So flößte er zugleich Hoffnung ein, wenn er von der Notwendigkeit sprach, stille Zentren eines neuen Geisteslebens in agrarischer Abgeschiedenheit zu begründen, von denen weithin Wirkungen ausstrahlen könnten, wenn dann die westlichen Nationen ihre Söhne und Töchter hierher senden würden.“[2]
Karl Lang erinnerte sich, dass die Oasen auf dem Lande mit einer Landwirtschaft gekoppelt sein sollten.[3]
Kernpunkte dieser Oasen nach Rudolf Steiner
Es lassen sich aus den überlieferten Erinnerungen folgende fünf Kernmerkmale dieser „Oasen“, die die Zukunft benötigen würde, benennen:[4]
1. Pflege eines spirituellen Geisteslebens |
Umsetzung der Idee
Anthroposophische Bemühungen
- Schloss Koberwitz durch die Bemühungen von Carl Keyserlingk, 1928 musste es verkauft werden.
- Kulturoase Loheland bei Kassel, 1912 gegründet von Hedwig von Rohden und Louise Langgard. Mit Waldorfschule, landwirtschaftlichem Betrieb und Waldorfkindergarten. Später kam ein Internat dazu.
- Schloss Siebeneichen, 1927 gegründet. Mit kulturellen Aktivitäten, Tagungen und Theateraufführungen. 1927 wurde es durch Wilhelm Rath zu eine Zentrum der Freien Anthroposophischen Gesellschaft.
Ab hier evtl. woanders einordnen:
- Heilpädagogische Lebensgemeinschaft Bürgenheim bei Frankfurt, aufgebaut von Gotthart Starke (Wandervogel und Arzt)
- Michaelshof Samats bei Lüneburg, gegründet 1985 basierend auf dem Impuls von Koberwitz.
- Musicosophia bei Freiburg, gegründet von Georg Balan. Schule des Musikhörens und Lebensgemeinschaft.
- Kulturoase Jerna? in Schweden südlich von Stockholm, ab 1935 als heilpädagogisches Heim mit Landwirtschaft, Gärtnerei, Klinik u. a. Hatte bis zu 2000 Mitarbeiter.
- Sekem, gegründet durch Ibraim Aboulesh. 700 ha Wüstenland wurde in fruchtbare Oase verwandelt. Tausende Menschen haben sich angesiedelt
Initiativen von Persönlichkeiten der Gegenwart
Michael Birnthaler
Uwe Burka
Rainer Kroll
Heinz Grill
Ökodörfer und Gemeinschaften
Unter der Bezeichnung „Ökodorf“ oder „Gemeinschaft“ wurden sehr viele Initiativen gegründet. Diese bezeichnen sich nicht als Kulturoasen, greifen aber Elemente der Idee von Rudolf Steiner aufgreifen und eine idealere, bessere Welt sowie ein menschengerechteres Miteinander fördern und umsetzen wollen. In Bezug auf die Spiritualität gehen sie andere Wege und auch die gemeinschaftsbildenden Maßnahmen werden mit nicht-anthroposophische Formen gestaltet, beispielsweise durch den sogenannten „WIR-Prozess“, einer Methode von Scott Peck.[5]
Beispiele:
- Schloss Tempelhof, Kreßberg (Bayern)
- Schloss Tempelhof ist eine seit 2010 bestehende basisdemokratische Gemeinschaft und Ökosiedlung in Kreßberg.
- Sieben Linden, Beetzendorf (Sachsen-Anhalt)
- Sieben Linden bezeichnet sich als Ökodorf und versteht sich als Modell- und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise, in der Arbeit und Freizeit, Ökonomie und Ökologie, Individuum und Gemeinschaft, weltoffene und dörfliche Kultur in kleinen Lebenskreisen zu einem Gleichgewicht finden.
- Tamera, Portugal
- Tamera wurde 1995 gegründet und ist eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft im Odemira, Alentejo, Portugal. Das Projekt versteht sich als „Friedensforschungszentrum“ und „Heilungsbiotop“.
Kulturoasen im Sinne alternativer Kulturprojekte
Einige Initiativen der Gegenwart nennen sich „Kulturoase“ und bieten Konzerte, Diskussionen, Themenabende, politische Arbeit, Filmvorführungen, Jugendtreffpunkte mit Café, Infoläden, Umsonstläden zur solidarischen Weitergabe von Kleidung etc.
Beispiele:
- Das soziokulturelle Zentrum besteht seit 1995. Insbesondere die Begegnung zwischen Künstlern der bildenden Kunst und von Musikliebhabern finden hier ein Podium.
- Kulturoase im Skulpturengarten, Nürnberg
- Angeboten werden Konzerte, Diskussionen, Themenabende etc.[6]
- Verein Kulturoase e. V., Frankfurt
- Diese Kulturoase wurde im Jahr 2016 gegründet und setzt sich für ein friedliches und freies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein. Es soll zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe von Migranten am gesellschaftlichen Leben beizutragen.[7]
- Perma-Kulturoase Sonneberg, Unterrohr (Österreich)
- Die Perma-Kulturoase bietet Selbstversorgung, Workshops, Alternative Energielösungen, permakulturelle Lebensraumgestaltung, Feiern und Mitmach-Tage an.[8]
Siehe auch
Wege zum Landwirtschaftlichen Kurs. In: anthroposophie.ch
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Adalbert von Keyserlingk: Koberwitz 1924. Die Geburtsstunde einer neuen Landwirtschaft. 1. Edition. BoD – Books on Demand, 2018, ISBN 978-3752862775. S. ??? oder ??? Johanna Gräfin von Keyserlingk: Zwölf Tage um Rudolf Steiner. Scheiffele, Stuttgart 1949, S. 70 ff.
- ↑ Erinnerung von Wilhelm Rath, 12 Tage, S. ???
- ↑ Beleg suchen
- ↑ Michael Birnthaler: Das „Grundmodell“ von Kulturoasen. In: Rudolf Steiner und die Anthroposophie (YouTube-Kanal). Minute 4:03. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Gemeinschaftsbildung und WIR-Prozess am Tempelhof. In: schloss-tempelhof.de. Archivlink abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Kulturoasis e.V. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Kulturoase Frankfurt – Über uns. Abgerufen am 4. November 2024.
- ↑ Perma-Kulturoase Sonneberg. Abgerufen am 4. November 2024.
↑ zurück nach oben |