Ardha Matsyendrasana

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Ardha Matsyendrasana (Halber Drehsitz )

Ardha Matsyendrasana (Sanskrit अर्ध मत्स्येन्द्रासन, IAST ardha matsyendrāsana), deutsch Halber Drehsitz oder Drehsitz, ist eine klassische Übung des Yoga und Teil der Rishikesh-Reihe. Der Sanskritname bildet sich aus den Wörtern ardha „halb“[1], matsyendra, dem mythischen Begründer des Hatha Yoga sowie „Herrn der Fische“[2] und āsana „Sitz“ oder allgemeiner übersetzt „Körperhaltung“.[3] Es gibt nur ganz wenige Asana, deren Name auf eine Person zurückgeht.

Mythologischer Hintergrund zu Matsyendra

B. K. S. Iyengar beschreibt den mythologischen Hintergrund folgendermaßen:

„In der Hathapradipika wird Matsyendra als einer der Begründer des Hatha-Vidya erwähnt. Es heißt, dass Shiva einst auf eine einsame Insel ging, um seiner Gattin Parvati die Geheimnisse des Yoga zu erklären. Ein Fisch, nahe der Küste, hörte konzentriert und regungslos jedes Wort mit. Als Shiva erkannte, dass der Fisch Yoga erlernt hatte, besprengte er ihn mit Wasser. Sogleich nahm der Fisch göttliche Gestalt an und wurde Matsyendra, der Herr der Fische, der später die Weisheit des Yoga verbreitete.“[4]

Körperliche Ausführung

Ardha Matsyendrasana ist stets nach beiden Seiten auszuführen. Die folgenden Passagen beschreiben jeweils die Drehung des Oberkörpers nach links.

In der Hathapradipika steht in Vers 26 die folgende Anleitung für die Ausführung: „Den rechten Fuß auf den Anfang des linken Oberschenkels legen, den linken Fuß neben das rechte Knie setzen, dann den Oberkörper drehen und den linken Fuß mit der rechten Hand und den rechten Fuß mit der linken Hand fassen, so sitzen, dass das linke Knie die Rückseite des rechten Oberarmes berührt […].“[5]

Heinz Grill beginnt die Ausführung im Fersensitz. Dann leitet er weiter an: „Setzen Sie sich nach rechts auf den Boden, stellen Sie den linken Fuß über das rechte Knie. Greifen Sie mit den Armen weit nach oben, damit auch die Wirbelsäule gestreckt wird. Verweilen Sie für etwa eine Minute vorbereitend in diesem sanften Wachsen und führen Sie dann die linke Hand nach hinten zum Boden, den rechten Arm in weiter, ausladender Bewegung vorbei an der Außenseite des linken Beines, bis Sie den linken Fuß greifen können.“[6]

Nach Swami Sivananda wird die Drehung gefördert, wenn der linke Arm – anstatt die Hand zum Boden zu führen – rückwärts um den Rücken herum bewegt wird, bis die Hand die rechte Hüfte erreicht und man auch den Kopf miteinbezieht und „zur linken Schulter wendet.“[7] Swami Vishnudevananda, ein direkter Schüler von Sivananda, strebt mit der linken Hand bis zum rechten Oberschenkel.[8] Auch im Ashtanga Vinyasa Yoga, der von K. Pattabhi Jois, Schüler von Tirumalai Krishnamacharya, begründet wurde, geht die linke Hand zur rechten Hüfte.

B. K. S. Iyengar ist es für Ausführung wichtig, das Gesäß zu heben, den linken Fuß unter dieses zu legen und sich darauf zu setzen, so dass die linke Ferse unter dem linken Gesäßteil liegt.[4]

Varianten

André van Lysebeth, Yoga Vidya, B. K. S. Iyengar, Heinz Grill und andere empfehlen Anfängern, anfangs einfachere Varianten als Vorbereitung zu üben. Eine Vereinfachung, die aber dieselben Vorteile wie die vollständige Asana vermittelt, besteht nach Lysebeth für Ardha Matsyendrasana beispielsweise darin, das rechte Bein gestreckt zu lassen.[9]

Die Ausführung wird ebenfalls erleichtert, wenn die rechte Hand das am Boden liegende Knie fasst.

Eine weitere Variante, die die Drehung der Wirbelsäule unterstützt, ist mit den Händen möglich, die sich mit den Fingerspitzen gegenseitig einhaken. Wenn möglich, umfasst eine Hand das Handgelenk der anderen Arms.

Führung der Aufmerksamkeit in der Übung

„Man konzentriert sich auf die Entspannung der Muskulatur der Wirbelsäule und folgt mit dem Geiste der fortschreitenden Drehung des Rückgrates vom Sakrum bis zum Schädel.“

André van Lysebeth[9]

Die Aufmerksamkeit kann auch auf die seelische Bedeutung des Drehsitzes gelegt werden:

Seelische Bedeutung der Übung

Zum Bild und der seelischen Bedeutung des Halben Drehsitzes schreibt Heinz Grill:

„Das Haupt im Lichte der Gedanken und ausströmenden Sinnesorganen wacht in weiser Übersicht über die übrige Körperlichkeit. Der Gedanke lenkt die Sinnesprozesse. So wie der Kopf vollkommen frei über die Spannungen der Körperlichkeit und der mit den Gliedmaßen eingenommenen speziellen Form verweilt und dennoch die auszuführende Dynamik mit den Sinnen dirigiert, so sollte gleichermaßen das Denken einerseits weise, klar, beobachtend und dirigierend tätig sein und sich dennoch nicht in die Handlung verwickeln. Das Denken sollte frei von Emotionen und frei von den Zugriffen der willentlichen Gebärden des Körpers bleiben. Diese Freiheit des Denkens bei gleichzeitig aktiver Willens- und Empfindungstätigkeit symbolisiert das hohe und erhabene Geheimnis des sechsten Energiezentrums. Eine Reinheit der Seele drückt sich in der weisen und freien Übersicht des Lichtes um das Haupt dann in besonderem Maße aus, wenn das Bewusstsein wachsam und schöpferisch tätig ist und zugleich auch die vorgenommene, gewünschte Bewegungsdynamik durch die Gliedmaßen in eine Formung führt.“[10]
„Der Drehsitz zeigt die harmonische Vorgehensweise an, wie aus einem bewussten Gedanken eine exakte Arbeit entsteht und diese sich in der Form, das heißt in einer bestimmten Körpergebärde widerspiegelt. Der Gedanke selbst, der am Anfang steht, motiviert die Bewegung, bleibt aber selbst von der Bewegung frei. Dadurch entsteht das Bild von Weite und Reinheit im Gedanken.“[10]

Künstlerische Ausführung und Korrektur

Gestaltungsidee
Halber Drehsitz
Vollständiger Drehsitz
Korrektur

Von Ardha Matsyendrasana zu Paripurna Matsyendrasana, ausgeführt von Heinz Grill

Gesundheitliche Aspekte

Erling Petersen bezeichnet den Drehsitz in seinem Yoga Übungsbuch als eine der wenigen Übungen, „die den Rücken in aufrechter Haltung beweglich machen. Diese Wirkung wird erzielt durch die axiale Rotation der ganzen Wirbelsäule von den Lenden bis zum Kopf. Die vertikale Drehung verhindert eine Versteifung und Abnutzung der Wirbelsäule.“[11]

Swami Sivananda sagt, dass der Drehsitz die Wirbelsäule federnd erhält und den Unterleibsorganen eine kräftige Massage vermittelt. Weiter werden die Rückenmarksnerven und das Sympathikussystem gestärkt, weil sie gut durchblutet werden. „Gegen Verstopfung und Verdauungsstörungen hilft diese Übung ausgezeichnet.“[7]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Suchergebnisse für „ardha“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 26. September 2024 (englisch).
  2. Georg Feuerstein: Die Yoga-Tradition. Geschichte, Literatur, Philosophie & Praxis. Yoga-Verlag, Wiggensbach 2008, ISBN 978-3-935001-06-9, S. 591.
  3. Suchergebnisse für „Asana“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 26. September 2024 (englisch).
  4. 4,0 4,1 B. K. S. Iyengar: Licht auf Yoga. 7. Auflage. Nikol Verlag, 2017, ISBN 978-3-86820-175-8, S. 236.
  5. Hathapradipika. Hamsah-Verlag, 1992, ISBN 3-923713-35-5, S. 19
  6. Heinz Grill: Die Vergeistigung des Leibes. Ein künstlerisch-spiritueller Weg mit Yoga. 2. Auflage. Lammers-Koll-Verlag, 2004, ISBN 3-935925-93-X, S. 116.
  7. 7,0 7,1 Swami Sivananda: Hatha Yoga. 4. Auflage. Heinrich Schwab Verlag, Gelnhausen 2015, ISBN 978-3-7964-0264-7, S. 46.
  8. Swami Vishnu-Devananda: Das große illustrierte Yoga-Buch. 6. Auflage. Aurum Verlag, 1997, ISBN 3-591-08183-3, S. 163.
  9. 9,0 9,1 André van Lysebeth: Yoga für Menschen von heute. Mosaik Verlag, TB Ausgabe Nr. 1690, ISBN 3-442-16164-9, S. 122 ff.
  10. 10,0 10,1 Heinz Grill: Die Seelendimension des Yoga. 7. unveränderte Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, Sigmaringen 2022, ISBN 978-3-948193-00-3, S. 248 f.
  11. Erling Petersen: Das Yoga Übungsbuch. 4. Auflage. Heyne Ratgeber 08/9299, ISBN 3-453-04104-6, S. 162.
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