Padmasana

Padmasana (Sanskrit पद्मासन, IAST padmāsana), deutsch Lotussitz oder Lotossitz, ist eine Sitzhaltung. Sie wird auch Kamalasana genannt. Der Sanskritname padmāsana bildet sich aus den Wörtern padma „Lotusblume“[1] und āsana „Sitz“ oder allgemeiner übersetzt „Körperhaltung“.[2] Auch kamala bezeichnet die Lotusblume.[3] Padmasana wird als Sitzposition für die Meditation eingenommen. Als klassische Sitzposition ist Padmasana Teil der 84 Hauptübungen des Hatha Yoga. Sie wird in fast allen Yogastilen praktiziert.
Zur Symbolik der Lotusblume

Im Hinduismus symbolisiert die Lotusblüte die Schöpfung und die Regeneration, die einem weiblichen göttlichen Prinzip zugeschrieben werden. Verschiedene Gottheiten werden mit einer Geburt aus dem Kelch der Lotusblume dargestellt.[4]
Der Lotus bedeutet im Buddhismus die spirituelle Erhebung, die Kapazität oder Fähigkeit des Menschen, sich durch spirituelle Entwicklung in und aus den Problemen der Welt zu erheben. Wie die Blume aus dem Teich aufsteigt und eine strahlende, Schmutz abweisende Blüte hervorbringt, so kann auch der Mensch durch einen Pfad der Meditation, der Weisheit und des inneren Wachstums die Fähigkeit erreichen, das Böse zu überwinden und nicht von Schwierigkeiten überwältigt zu werden. Wie der Lotus zu sein, bedeutet nicht, die Probleme des Lebens nicht zu bemerken, sondern es bedeutet zu wissen, wie man die Probleme konfrontiert und überwindet, ohne sich von ihnen überwältigen oder konditionieren zu lassen. Der Lotus ist die Blume der Meditation und der Wiederentdeckung des Lebens, des Lichts und des inneren Gewahrseins. Einige Buddhastatuen zeigen Buddha in Padmasana.[4]
Im alten Ägypten symbolisierte die Lotusblume die Sonne, die Wiedergeburt sowie das Gebiet Oberägypten. Diese Bedeutungen erscheinen in drei verschiedenen Legenden über die Schöpfung. Nach einer Legende stieg die Sonne aus einer Lotusblume auf, die aus dem Urchaos und gebildet aus Wasser entstanden ist.[4]
Padmasana in den alten Schriften des Yoga
Padmasana wird im Yoga Yajnavalkya (Sanskrit योगयाज्ञवल्क्य, IAST yoga-yājñavalkya) erwähnt, dem ältesten erhaltenen Text (13. Jhd.) mit Beschreibungen von Asanas.[5]

In der Hathapradipika (verfasst im 14. Jhd.) ist Padmasana im Vers 44 beschrieben:
- „Der rechte Fuß wird auf den linken Oberschenkel gelegt und der linke Fuß auf den rechten Oberschenkel. Die Arme werden hinter dem Rücken überkreuzt, sodaß jede Hand den großen Zeh des Fußes anfassen kann. Das Kinn wird fest auf die Brust gedrückt und der Blick wird auf die Nasenspitze gerichtet. Das ist der Lotossitz, der den Yogi gesund macht und gesund erhält.“[6]
Im Kommentar zu Vers 44 wird ausgeführt, dass diese beschriebene Haltung unter dem Namen Baddha Padmasana, „gebundener Lotussitz“, bekannt ist und der Autor Svatmarama auch den einfacheren Lotussitz, bei dem die Hände auf den Knien liegen, mit dem Namen Padmasana bezeichnet.
Die Gherandasamhita (wahrscheinlich verfasst im 17. Jhd.) bezeichnet Padmasana in Vers 8 als „Zerstörer jeder Krankheit“ (This posture destroys al deseases). Die körperliche Ausführung wird wie in der Hathapradipika beschrieben.[7]
Die Verse 88–91 im 3. Kapitel der Shivasamhita (um 1700 geschrieben) sind Padmasana gewidmet. Vers 88 erwähnt die schützende und heilende Wirkung der Sitzposition: „Ich beschreibe nun das Padmasana (der Lotussitz), das alle Krankheiten abwehrt oder heilt […].[8] Vers 91 beschließt die Ausführungen zu Padmasana mit den Worten: „Wenn der Yogi in Padmasana sitzt, die Wirkung von Prana und Apana kennt und dabei die Atemregulierung durchführt, erlangt er Befreiung. Wahrlich, ich sage euch die Wahrheit.“[8]
Körperliche Ausführung
Da die körperliche Ausführung bei den verschiedenen Yogameistern ähnlich beschrieben wird, sei im Folgenden die Anleitung von B. K. S. Iyengar beispielhaft dargestellt:
Iyengar beginnt die Asana im Sitzen mit ausgestreckten Beinen. Dann wird das rechte Bein gebeugt, der rechte Fuß mit den Händen gefasst und dieser an die Wurzel des linken Oberschenkels gelegt, so dass die Ferse nahe dem Nabel liegt. Nun wird das linke Bein gebeugt, der linke Fuß mit den Händen gefasst und über das rechte Bein gelegt. Die Ferse soll ebenfalls in der Nähe des Nabels liegen. Die Fußsohlen sind nach oben gewendet.

(Halber Lotussitz)
- „Menschen, die nicht gewohnt sind, auf dem Boden zu sitzen, haben selten gelenkige Knie. Am Anfang werden sie quälende Schmerzen im Bereich der Knie spüren. Mit Ausdauer und fortgesetztem Üben wird sich der Schmerz langsam lösen und man wird dann lange Zeit bequem in der Stellung bleiben können.“[9]
Die Wirbelsäule sollte gerade bleiben. Die Arme können ausgestreckt und die rechte Hand auf das rechte sowie die linke Hand auf das linke Knie gelegt werden. Alternativ können die Hände in der Mitte, an der Stelle, wo sich die Füße kreuzen, positioniert werden. „Dort kann man die Handflächen aufeinanderlegen.“
Iyengar empfiehlt, die Stellung der Beine auch zu wechseln, damit sich die Beine gleichmäßig entwickeln.[10]
Bei Ardha Padmasana, dem „halben Lotossitz“, wird nur ein Fuß auf den Oberschenkel des anderen Beins gelegt, welches angewinkelt im vollständigen Kontakt zum Boden bleibt. Ardha Padmasana eignet sich zur Vorbereitung auf den vollen Lotossitz.
Das Sivananda Yoga Vedanta Zentrum empfiehlt 2 Aufwärmübungen für Padmasana:
- „Sitzen Sie aufrecht mit gestreckter Wirbelsäule und legen Sie die Fußsohlen aneinander, die Fersen nah an den Körper. Für die Knie-Knöchel-Stellung drücken Sie die Knie fest nach unten. Beim Schmetterling umfassen Sie die Füße und bewegen die Knie auf und ab.“[11]
Nach Swami Kriyananda, einem direkten Schüler von Paramahansa Yogananda, kann die Ausführung von Padmasana eine Erleichterung finden, indem ein Kissen unter das Gesäß gegeben wird. In der Stellung schlägt er vor, sich der folgenden Affirmation hinzugeben:
- „Ich sitze gelassen, erhaben in deinem Licht.“[12]
Seelische Bedeutung der Übung
Das Bild oder die seelischen Bedeutung von Padmasana beschreibt Heinz Grill mit folgenden Worten:
- „Die Ruhe und Sammlung, die dieser Position eigen ist, schenkt ein Empfinden des Freiseins von irdischen Konflikten, Leidenschaften und Turbulenzen. Die Denkprozesse, die ihren ersten Ausdruck in der Äthersphäre nehmen, wie auch die Empfindungen, die mehr in die astrale Sphäre tendieren, können in dieser Position freier vom Körper wahrgenommen werden. In dieser Ruhe, Wachheit und Aufgerichtetheit bei gleichzeitiger Losgelöstheit vom Körper liegt die Bedeutung der Übung.“[13]
Weitere Sitzhaltungen
Swami Vishnudevananda erwähnt neben Padmasana noch weitere Meditationsstellungen: Siddhasana, Svastikasana und Sukhasana. Die Sitzhaltung Vajrasana schlägt er für Personen vor, die keine der anderen Haltungen einnehmen können.
-
Siddhasana
Im Unterschied zu Ardha Padmasana liegt ein Fuß gekreuzt auf dem Unterschenkel des anderen Beins. -
Svastikasana
Kreuzung der Beine, wobei die Füße im Unterschied zu Padmasana nicht auf den Oberschenkeln liegen, sondern Kontakt zu den Unterschenkeln haben. -
Sukhasana
(Schneidersitz)
Beide Füße befinden sich unter den Oberschenkeln. -
Vajrasana
(Fersensitz)
Nach den Überlegungen von Heinz Grill ist es auch möglich, die Meditationshaltung auf einem Stuhl einzunehmen. Allerdings sei es wichtig, die Körperhaltung auf dem Stuhl auf eine einigermaßen gesammelte Basis zu bringen und „den Rücken wirklich aus der Kreuzbeinregion, aus der Mitte und mit dem gesamten Brustkorb gut aufrichten, sodass das Haupt wie getragen erscheint.“[14]
Siehe auch
- Liste mit Links zu weiteren Yogaübungen im Artikel Swami Vishnudevananda
- Padmasana. In: ashtangayoga.info. Archivlink abgerufen am 13. Februar 2025.
- Padmasana (Heiligtum), Artikel in Wikipedia
Einzelnachweise
- ↑ Suchergebnisse für „padma“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 13. Februar 2025 (englisch).
- ↑ Suchergebnisse für „Asana“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 13. Februar 2025 (englisch).
- ↑ Suchergebnisse für „kamala“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 13. Februar 2025 (englisch).
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Simbologia del Fior di Loto. In: hydrophyllum.it. Abgerufen am 13. Februar 2025 (italienisch).
- ↑ Lotussitz. In: yoga-vidya.de. Abgerufen am 13. Februar 2025.
- ↑ Hathapradipika. Hamsah-Verlag, 1992, ISBN 3-923713-35-5, S. 23.
- ↑ Gheranda Samhita. Sanskrit-English. Sri Satguru Publications, SSP Edition, Delhi 1979, S. 13 (englisch).
- ↑ 8,0 8,1 Shiva Samhita. 3. Kapitel – Die Yogapraxis. In: yoga-vidya.de. Abgerufen am 13. Februar 2025.
- ↑ B. K. S. Iyengar: Licht auf Yoga. 7. Auflage. Nikol Verlag, 2017, ISBN 978-3-86820-175-8, S. 117.
- ↑ B. K. S. Iyengar: Licht auf Yoga. 7. Auflage. Nikol Verlag, 2017, ISBN 978-3-86820-175-8, S. 116–118.
- ↑ Sivananda Yoga Zentrum (Hrsg.): Yoga für alle Lebensstufen. 11. Auflage. Gräfe und Unzer Verlag, 1997, ISBN 3-7742-6200-4, S. 58.
- ↑ Jayadev Jaerschky: Yoga des Yogananda, Klassische Texte und Übungen für heute. 1. Auflage. Verlag Via Nova, 2019, ISBN 978-3-86616-442-0, S. 150.
- ↑ Heinz Grill: Die Seelendimension des Yoga. 7. unveränderte Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, Sigmaringen 2022, ISBN 978-3-948193-00-3, S. 296.
- ↑ Ideale Meditationshaltung. In: Beiträge zu einem Neuen Yogawillen. Artikel vom 15. August 2023, abgerufen am 13. Februar 2025.
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